Devin Townsend Project - Transcendence

InsideOut / Sony
VÖ: 09.09.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Toll, ein anderer macht's

Manchmal sind es die kleinen Randnotizen, die eine Veröffentlichung bemerkenswert machen. Im Fall von Devin Townsend ist eine solche vermeintliche Randnotiz nachgerade eine Sensation. Denn der hyperaktive Kanadier war seit dem Debüt seiner ersten Band Strapping Young Lad im Jahr 1995 vor allem eins: Einzelkämpfer. Und plötzlich taucht da diese kleine Bemerkung auf, Townsend habe auf "Transcendence", dem siebten Album unter dem Namen Devin Townsend Project, das erste Mal in seiner Karriere etwas von seiner Hoheit von Kompositionen bis Studiotechnik abgegeben. Vom Alphatier, für den die Vorsilbe "Alpha" eigentlich schon eine Beleidigung ist, hin zum basisdemokratischen Teamplayer? Statt Ordre du mufti plötzlich Diskussionskreise bei Tee und Gebäck? Wohl eher die Erkenntnis, dass ein Korrektiv durchaus hilfreich sein kann.

Dennoch: Es braucht nur wenige Minuten, bis deutlich wird, wie sehr Townsend – und ja, auch seine Mitstreiter, die weit mehr als ein loses Projekt sind – Abstand zum Vorgänger "Z²" gewonnen haben, das bekanntermaßen Townsends Persönlichkeiten in Form eines geradezu janusköpfigen Doppelalbums deutlich werden ließ. Will sagen: Die exaltierte, komplett freidrehende Seite des Frontmanns, die sich in der bekloppten Sockenpuppe Ziltoid manifestierte, ist zumindest für den Moment Geschichte. Doch manches, was im Rückspiegel auftaucht, taugt durchaus für den Blick nach vorn. Und so covert der Kanadier zuerst einmal sich selbst, indem er die Platte mit "Truth" von einem Song eröffnen lässt, der schon bei "Infinity" von 1998 den seinerzeit noch ziemlich verzwickten Zugang bahnen sollte. Und 18 Jahre später wie ein flauschiger Teppich wirkt, um den Hörer in Empfang zu nehmen, wuchtig und opulent.

Dann jedoch zeigt Townsend, warum er auch mit externer Unterstützung zu den großen Songwritern unserer Zeit gehört. Während "Stormbending" zunächst ein einziges Paar ausgebreiteter Arme darstellt, ist "Failure" alles, nur nicht das. Da tauchen plötzlich Djent-Riffs auf, als habe es nie etwas Natürlicheres gegeben, da paaren sich beiläufig gefrickelte Passagen mit breiten Walls of sound, die ihren Namen auf entsprechendem Equipment alle Ehre machen, nur um von einem tiefen Kniefall vor Pink Floyd abgelöst zu werden. Der Wahnsinn hat einen Namen bekommen. Apropos Wahnsinn: Wer nun meint, "Transcendence" könnte ähnlich tiefenentspannt geraten wie 2011 "Ghost", darf sich spätestens bei "Higher" als getäuscht betrachten. Dieses Dickicht an Strukturen zu durchwaten ist schon eine Kunst für sich – es zu schreiben, noch viel mehr.

Spätestens jetzt dürfte die Hörerschaft wahlweise überfordert weggelaufen oder verzückt abtauchen in die Soundlandschaften, die "Transcendence" ausbreitet. Das ist zwar im Fall von "Secret sciences" durchaus auch einmal zu tiefenentspannt, im Fall des Titeltracks allerdings erneut große Kunst, progressiv im Wortsinn. Irgendwo tief drinnen lauern noch klassische Songstrukturen, um diese herum jedoch legt Townsend Schicht um Schicht, zusammengehalten von hochentwickelten Riffs, die genauso donnern wie faszinieren, während Anneke van Giersbergen irgendwo filigrane Gesangstupfer setzt. Wohl niemand sonst ist derart in der Lage, vertontes Ausrasten wie bei "Offer your light" und entspanntes Dahingleiten wie bei der abschließenden Ween-Coverversion "Transdermal celebration" zu verbinden. Und wohl kaum jemand tanzt derart virtuos auf der Schwelle zwischen Genie und Wahnsinn wie Devin Townsend. Dieses Mal sogar im Team.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Failure
  • Higher
  • Transcendence

Tracklist

  1. Truth
  2. Stormbending
  3. Failure
  4. Secret sciences
  5. Higher
  6. Stars
  7. Transcendence
  8. Offer your light
  9. From the heart
  10. Transdermal celebration
Gesamtspielzeit: 64:20 min

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