Teenage Fanclub - Here
PeMa / Rough TradeVÖ: 09.09.2016
Romantische Sprüche auf Polyester
Forcierte Nähe kennt keine Gnade. Wenn der schnöde, dröge Kollege den Arbeitgeber wechselt, die erste Begegnung mit der Schwiegermutter auf ihren Geburtstag fällt hat oder im Bommersheimer Tischtennisverein grausam gewichtelt wird, ist das Beste gerade gut genug. Im Ein-Euro-Laden wabern Kunststoffpartikelchen in der Luft. Während man zwischen Minion-Merchandise und Yogafröschen der dauerstaubsaugenden Kassiererin im Weg steht, wird man auf Textilwaren, Hundenäpfen und Blumentöpfchen mit lauter inspirierenden Powersätzen, deepen Lebensweisheiten und authentischen Liebesausbrüchen konfrontiert: "Connected to life", "Live in the moment", "I'm in love".
Teenage Fanclub kennen keine Gnade. Die Songs auf dem neuen Album "Here" tragen allen Ernstes Titel wie "Connected to life", "Live in the moment" und "I'm in love". Für Wohlstandszyniker ein Affront sondergleichen, der der Begegnung mit dem ewigen Dreampop-Geheimtipp aus Schottland ungeahnte Barrieren bereitet, aber trotzdem: Carpe diem! Und tatsächlich beginnt das Album dank "I’m in love" stark, einer charmanten kleinen Ode mit vielen quirligen Einfällen. Jedoch geht Teenage Fanclub alsbald die Puste aus: Während sie zufälligerweise auf "Thin air" – zugegeben, dieser Titel eignet sich als Slogan auf Frühstücksbrettchen und Jeans-Applikationen nur so mittel – noch das aufmüpfige Gitarrenspiel rüberretten können, tritt über eine Spanne von sechs Songs so ein wenig die Liebeskrise ein.
Repetition ersetzt keine Eingängigkeit – vor allem dann nicht, wenn die Melodien zu ideenlos sind und das Arrangement zu banal. Im Falle von "I was beautiful when I was alive" ist der Verlust besonders groß, weil das Stück in seiner anfänglichen Gemächlichkeit sogar meditative Qualitäten besitzen könnte und von psychedelischen Elementen zum hurtigeren Ende hin grundlegend profitiert hätte. "Live in the moment" indes greift Ideen auf, die einst The Kooks mit "Ooh la" gekonnter umgesetzt haben. Zum Ende hin aber fängt sich die Interessengemeinschaft mittelalter Romantiker wieder merklich: "Steady state" erreicht die schwelgerischen Qualitäten von Turtles-Balladen; das famose "With you" steht dem in nichts nach.
Mit dem Schlusslied "Connected to life" kehrt langsam die Einsicht ein, dass auch aus Teenage Fanclub eine, wie sagt man so schön, "gereifte", in sich gekehrte Band geworden ist. Das gesteigerte Harmoniebedürfnis, das mit dem Alter zu kommen scheint, äußert sich auf "Here" in einer stellenweise zu glatten Produktionsweise sowie naheliegenden Botschaften wieder. Bei aller Besonnenheit besteht die Sorge, dass das Album rasch im Plattenschrank verwaisen könnte. Andererseits wirkt der Yogafrosch aus dem Ein-Euro-Laden auch sehr reif und in sich gekehrt – und das ist wohl mal wirklich ein unvergessliches Geschenk.
Highlights & Tracklist
Highlights
- I'm in love
- Steady state
- With you
Tracklist
- I'm in love
- Thin air
- Hold on
- The darkest part of the night
- I have nothing more to say
- I was beautiful when I was alive
- The first sight
- Live in the moment
- Steady state
- It's a sign
- With you
- Connected to life
Im Forum kommentieren
dogs on tape
2017-02-09 09:01:19
Zauberhaftes Album. Schöner Altern mit Teenage Fanclub. Freu mich auf das Konzert heute :)
musie
2016-09-08 13:14:54
das Album ist ausserordentlich gelungen. sehr entspannt das Ganze und trotzdem alles andere als belanglos. aktuell mein Lieblingsalbum von Teenage Fanclub, ich sehe das im Moment bei 8/10.
seno
2016-09-07 07:54:18
@Lichtgestalt
Dann ist er eben doch nicht so schwach, wie ich anfangs dachte.
musie
2016-09-07 07:40:21
beim ersten Album von Coldplay oder beim zweiten Album von Travis sagt auch keiner, das sei zwar hübsch und nett, aber zu ruhig und langweilig und unter ihren Fähigkeiten. aufs erste Hören gefiel mir die neue Teenage Fanclub erfreulich gut.
Lichtgestalt
2016-09-06 23:13:34
Schön, hübsch und nett sind ja nun auch nicht die Eigenschaften, die bei TF-Songs in Frage gestellt werden. ;-)
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