Andrea Schroeder - Void
Glitterhouse / IndigoVÖ: 26.08.2016
Wenn dichte Dichter dichten
Die gute Nachricht zuerst: "Andrea Schroeder kann auch fröhlich sein." So stand es immerhin in einem Artikel über die düstere Berliner Sängerin. Grund genug hat sie: Seit ihrem Debüt "Blackbird" erfreut sie sich der Unterstützung ihres Mentors Chris Eckman von The Walkabouts, der Zweitling "Where the wild oceans end" wurde für den Preis der deutschen Schallplattenkritik nominiert, und mit ihrem musikalischen Partner Jesper Lehmkuhl ist die gebürtige Ostwestfälin auch privat liiert. Trotzdem wohnten Stücken wie "Dead man's eyes" oder "The spider" stets schwelgerische Dunkelheit und schwere Melancholie inne: Filigraner Folk traf auf beschwörende Torch-Songs, Dream-Pop und Albtraum-Blues beharkten sich sacht zu einer Stimme, die einer Gothic-Version von Nico zur Ehre gereichen würde. Schroeders Musik mauschelte dabei sowohl mit der Mystik der Natur als auch mit dem zuweilen geisterhaften Moloch Großstadt – und auch Album Nummer drei ist kein leeres Versprechen. Dafür ein verhältnismäßig raues.
Zumindest wenn man die Vorgänger zum Vergleich heranzieht. Da kann die Künstlerin auf dem Cover einen scheuen Seitenblick riskieren, wie sie will: Schroeder und Lehmkuhl lassen es in Zusammenarbeit mit Sivert-Höyem-Produzent Ulf Ivarsson rappeln wie selten zuvor, verwildern viele Stücke mit blechernen Drums, gereizten Riffs und klug gesetzten Dissonanzen zu einem ruppigen urbanen Swamp-Blues. Durch den schweren Brocken "Burden" marschieren industrielle Schläge und ins Bodenlose kratzende Streicher, Schroeder schultert alle Last des Daseins und zuckt allenfalls unmerklich mit der Wimper. "My skin is like fire" gönnt ihr zu spartanischer Percussion und Schellenkranz nur eine kurze Ruhepause auf samtenem Untergrund, ehe "Kingdom" mit rabiaten Stromgitarrensalven den drohenden Untergang heraufbeschwört. Und auch die Ansage "I will not eat you alive" aus "Creatures", dem designierten Hit-Rocker mit Humpel-Piano, genießt man besser mit Vorsicht. Achtung wild – aber auch verführerisch schön.
Und dennoch steckt in jedem unsanften Moment und jeder kleinen Brachialität von "Void" nachtschwarze Poesie: In der behutsamen Flüchtlingskind-Moritat "Little girl" genauso wie in "Was Poe afraid". Mit letzterem Stück führt Schroeder ihre Tradition fort, auf jeder Platte einen Text des Beat-Lyrikers Charles Plymell zu interpretieren und erweist ferner dem seinerzeit als verdrehter Alkoholiker verrufenen US-Dichter Edgar Allan Poe gravitätisch die Ehre. Die langgezogene, von unheilvollen Schlieren durchsetzte Ballade windet sich ähnlich wie Nick Cave & The Bad Seeds' "Fifteen feet of pure white snow" – neben einem songorientierteren Scott Walker eine weitere Bezugsgröße für dieses Album, das ab dem trostreichen Twang-Shuffle "Drive me home" allmählich ermattet Richtung Ausgang eines schummrigen Etablissements schleicht und schließlich in der elegischen Leere des "Endless sea" untergeht. Gut zu wissen also, dass Andrea Schroeder auch fröhlich sein kann – auf "Void" muss sie das aber gar nicht, um vollends zu überzeugen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Burden
- Kingdom
- Creatures
- Drive me home
Tracklist
- Void
- Black sky
- Burden
- My skin is like fire
- Kingdom
- Little girl
- Creatures
- Was Poe afraid
- Drive me home
- Don't wake me
- Endless sea
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Sack
2019-02-16 12:35:39
Zu teuer.
Sick
2016-09-03 19:04:55
Genauso toll wie die beiden Vorgänger. Muß sie unbedingt live sehen/hören.
Arbeiter
2016-08-31 21:16:21
Eine illustre Schar an Referenzen. Ich werde mal reinhören.
Armin
2016-08-31 21:08:06
Frisch rezensiert.
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- Andrea Schroeder - Void (4 Beiträge / Letzter am 16.02.2019 - 12:35 Uhr)