
Ritual Howls - Into the water
Felte / CargoVÖ: 19.08.2016
Parken in der Tiefsee
Wasser hat vielleicht keine Balken, dafür aber Löcher, wie man auf dem Cover des dritten Albums von Ritual Howls sieht. Und wer da reingerät, hat entweder nichts zu lachen oder eine Verabredung in der Tiefsee, denn auf dem Meeresboden warten ramponierte Drumcomputer und geisterhafte Twang-Gitarren. Keine Frage: Das Trio aus Detroit ist auch auf "Into the water" ganz unten – dank der Grabesstimmung im dichten Sound, der Post-Punk durch einen verhallten Gothic-Häcksler dreht und somnambulen Swamp-Blues auf Cold Wave und vereinzelte HipHop-Versatzstücke prallen lässt. Dazu brummt die Elektronik wie kurz vor dem Schaltkreis-Infarkt und sogar der unlängst verblichene Alan Vega scheint sich noch einmal kurz zürnend aus seinem vorübergehend nassen Grab zu erheben. Doch hat sich was: Es ist Frontmann Paul Bancell, der die Songs nicht nur mit pastoralem Organ streng überwacht, sondern gleichsam in zeitlupenartig splitternde Leads und heulend von den Studiowänden reflektierte Delays einspinnt.
Dazu spucken Christopher Samuels' Apparaturen lebensmüde Grooves aus und knurrt Ben Saginaws Bass ausgesucht missmutig – bei so viel Intensität in den wabernden Soundschwaden aus gnadenloser Präzision und raumgreifend rasselnden Stahlsaiten genügt Ritual Howls oft vergleichsweise gemäßigtes Tempo, um etwa mit akzentuierten Licks und dem Chor der Keyboard-Geister spukige Intensität zu verströmen. Da zittern die "Nervous hands" ähnlich wie das Tanzbein zur düsteren Messe "Final service" vom Vorgänger "Turkish leather". Im robusten Stampfer "God swamp" heißt es wenig später "The book you read / Is upside down", während die Viersaitige knorrig Druck macht und Ritual Howls sich gerade vermutlich in einem Raum befinden, in dem auch die Kreuze an der Wand verkehrt herum hängen. "Into the water" bedient sich dabei immer wieder des delikaten Kontrasts zwischen suizidärem Americana-Swing und maschinellen Rhythmen – irgendwo muss der Mythos der Motor City schließlich auch hier hineinpassen.
Und wo Kraftfahrzeuge sind, muss es auch etwas geben, wo man sie hinstellt. "Park around the corner", fordert Bancell den Hörer im tightesten, drängendsten und besten Stück auf – obwohl es sich neben dem ungehobelt ratternden "Bound by light" um den Moment dieser 47 Minuten handelt, in dem Ritual Howls das Gaspedal am stärksten durchdrücken. Wie es sich gehört, wenn vor dem geistigen Ohr A Place To Bury Strangers erscheinen, die "Blue Monday" unter freundlicher Mithilfe der Beatbox aus Joy Divisions "She's lost control" covern. So gesehen also ein nicht ganz erwarteter Schritt, dass ausgerechnet der abschließende Synthie-Saugwurm "Going upstate" als erste Single herhalten musste – und zu allem Überfluss nicht einmal auf der Vinyl-Version von "Into the water" enthalten ist. Was aber auch der einzige gelinde Schwachpunkt eines Albums ist, das in seiner aufreibenden Beklommenheit die Parkplatzsuche, sagen wir, nicht unbedingt erleichtert. Doch wer wird denn deswegen gleich ins Wasser gehen?
Highlights & Tracklist
Highlights
- Nervous hands
- God swamp
- Park around the corner
Tracklist
- Scatter the scars
- Nervous hands
- Bound by light
- Coils and magnets
- God swamp
- Park around the corner
- A thoughtful beast
- Spirit murder
- Going upstate
Im Forum kommentieren
AFDPT
2019-06-05 21:41:41
Alles Für Den Platten Tests Widerstand!
Max
2019-06-05 21:29:27
Abgefahren..... Ein wahres Meisterwerk für Freunde dunkler Klänge....
schiffsaffe
2016-06-30 23:58:10
Das mit dem Link hat ja schon mal hervorragend geklappt. Man merkt: Ich studiere Computer Science am MIT.
schiffsaffe
2016-06-30 23:57:05
Das Album erscheint am 19. August, die erste Single ist schon raus:
[url]http://noisey.vice.com/blog/ritual-howls-scatter-the-scars-premiere[/url]
Das letzte Album kam hier ja ganz gut weg (7/10, wenn ich mich recht entsinne), bin mal gespannt, was die Herren nun so aus dem Hut zaubern.
Und hallo übrigens, ich bin neu hier im Forum :)
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