Hella Comet - Locust valley

Noise Appeal
VÖ: 09.09.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 10/10
10/10

Kein Freundschaftsspiel

Der hiesige Musikmarkt schielt ja zeitweise etwas neidisch auf seine österreichischen Nachbarn mit ihrem vielzitierten Wiener Schmäh. Hat doch diese nonchalante Leichtigkeit in jüngster Vergangenheit Bands wie Bilderbuch oder Wanda aus der Hüfte geschüttelt und damit das Feuilleton ganz wuschig gemacht. Auch das Quartett Hella Comet hat seine geografische Heimat in der ehemaligen KuK-Monarchie. Doch die Hoffnungen auf ein weiteres Heimspiel im Marktsegment deutschsprachiger Pop mit Pepp im Sinne von Alpha-Methylphenethylamin werden schon mit der ersten Feedbackbrause energisch den verrosteten Ausguss runtergespült. Und zwar nicht nur, weil hier Englisch gesungen wird, sondern auch, weil die Mannschaft um Frontfrau und Bassistin Lea Sonnek über eine gänzlich andere Spielwiese als die des Austropop tobt.

Auf diesem Acker wuchert ein Wildwuchs aus Rock, Shoegaze und ja, auch Pop. Hella Comet richten zwar keinen ganz so noisigen Flurschaden wie ihre inzwischen aufgelösten Indierock-Landsleute von Killed By 9V Batteries an, treten allerdings Shoegaze-Vertretern wie Whirr mit ihrem allzu ostentativ nach außen getragenem Pop-Appeal kräftig vors Schienbein. Hella Comet wollen eben lieber durchgeschwitzte Trikots mit den Rüpeln von Sonic Youth tauschen als ein Freundschaftsspiel mit den sirenengleichen Pinkshinyultrablast austragen. Rock me statt Amadeus.

Dies macht sich vor allem in der Produktion bemerkbar. Denn die Trademarks Distortion, Feedback und Delay kommen eine ganze Ecke kerniger und druckvoller als für klassische Shoegaze-Verhältnisse gewohnt aus den Boxen. Zwar sind auch die stilbestimmenden Gitarrenwände auf "Locust valley" Bestandteil der Spieltaktik, allerdings holen sich Zuhörer an dieser Wall of sound eher eine Platzwunde, als sich im Nebel zu verlustieren. Sonnek wispert und säuselt sich derart selbstbewusst und anzüglich durch die Songs, dass statt romantischer Träume eher laszive Fantasien stimuliert werden.

Dabei sind es das ausgebuffte Timing sowie die gut dosierten Stellungswechsel zwischen Harmonie und Disharmonie, die Hella Comet immer wieder punkten lassen. Sei es die sich langsam aufbauende Dreierkette aus Rückkopplung, Maximalverzerrung und schleppenden Drums im Opener "Secret body nation", der rockige Tempovorstoß in "43goes79goes43" oder ein Kopfball-Nicker à la "Idiots and slavery". Hier werden alle erspielten Chancen mit Verve genutzt. Überragender Libero in der Mitte des Albums ist "Midsummer heat", das die Trademarks von Hella Comet auf den Punkt bringt: Eine warme, druckvolle Vorwärtsgrätsche, erhaben und mit Finesse ausgeführt, holt den Zuhörer von den Beinen, dass es nur so scheppert.

Danach folgt noch einiges – allerdings nichts Ebenbürtiges mehr. Was nicht weiter schlimm ist, denn die Partie wird dennoch mit souveränen Tracks wie "The wicked art to fake it easy" niveauvoll beendet. Auch wenn sich darüber streiten lässt, ob es eines "Conk out" mit seinem egalen Elektrogedribbel in der Nachspielzeit wirklich bedurft hätte. Schließlich hatten Hella Comet die Partie zu diesem Zeitpunkt schon längst klar für sich entschieden.

(Oliver Windhorst)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Secret body nation
  • 43goes79goes43
  • Midsummer heat

Tracklist

  1. Secret body nation
  2. Swim
  3. Sid
  4. Fortunate sleepers
  5. 43goes79goes43
  6. Midsummer heat
  7. Dead match figure
  8. Idiots and slavery
  9. The wicked art to fake it easy
  10. Conk out
Gesamtspielzeit: 38:11 min

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The MACHINA of God

2016-09-13 19:06:37

Gefällt mir aufs erste Ohr ganz gut.

Armin

2016-08-24 20:51:47

Frisch rezensiert.

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