Ed Harcourt - Furnaces
Polydor / UniversalVÖ: 19.08.2016
Im Tal der Lust
Im Pop scheint der Olymp zu existieren, zumindest hat er längst Einzug in den Usus der Popsprache gefunden. Für Ed Harcourt kann es hingegen nur einen geben, der aus dieser griechischen Götterreihe von Interesse sein kann: Dionysos, Gott des Rausches und Wahnsinns, was nahe beieinander liegt, verliert sich das übertrieben Rauschhafte schon einmal im Durchdrehen. Ein anderer Name dieser Gottheit ist Sorgenbrecher, was auch Harcourt weiß, will er genau dies, mit dem wehleidigen Klavier seines bisherigen Schaffens brechen und in eine Ekstase geleiten. "Furnaces" soll enthemmen und laut Künstler den Soundtrack "to cry, fuck and fight to" bietet, also für Tränen, Lenden und Fäuste sorgen. Wahrscheinlich soll das nicht in dieser Reihenfolge vonstatten gehen, doch schwärmte Harcourt bei der Entstehung seines siebten Albums für Prince und Trent Reznor, die spätestens seit "Little red corvette" und "Closer" eben auch zu Apologeten der Lust mutiert sind.
Die Römer nannten ihren Dionysos auch Bacchus, also: Schreier, und Harcourt schreit sich durch "Furnaces". Er plärrt, seine Stimme schmettert sich kaputt. Der Brite will Lärm und Unruhe und verzerrte E-Gitarre, die in ein Delirium begleiten sollen. Die Liebeswehen, bekämpft mit dem vielen Wein in der Widmung "Dionysus" sind nur Anlauf für einen Sprung in die Leere. Hätte der altgediente Flood diese Arrangements nicht derart kantig produziert, würde dieses Schema aus Verkrampfung und Enthemmung weit langweiliger geraten. Genau dieser Kniff hilft, dass "Lou garou" trotz wilder Gitarrenzoten eingängig wird. Wobei das Lied wieder von Werwölfen handelt, Mutanten der Zügellosigkeit, die Harcourt anhimmelt.
Weniger zügellos, dafür mehr dem Soul huldigend, beginnt das Titelstück mit hochhebenden Blechbläsern und "Immoral" mit einem Neo-Soul, der geschmeidig James Blake mit James-Bond-Orchester vereint. War Harcourt auf früheren Alben ein Dramatiker am Klavier, dann ist "Furnaces" die drastische Abkehr zu einem Apokalyptiker an der E-Gitarre. Er hat keine Zweifel am Untergang, im zweiten, sich schwerfällig anbahnenden Stück des Albums brennt die Welt bereits. Dabei verbannt "Antarctica" mit seinen pluckernden Beats den Rausch, das Rotlicht und Animalische zurück in die Nacht, wenn sich Harcourt mit "In the cold light of day / You won't see ne again" verabschiedet.
Der Dauerrausch ist wenig charmant und noch minder erkenntnisreich. Wenn "Furnaces" ausholt, bleibt jedoch wenig mehr über. Dass Songs derart symbolisch aufgeladen und mystisch beschwert werden, interessiert stellenweise mehr als die Musik. "There is a light below" hat dieses Problem, die funkige Strophe wird überrannt von unpassend lärmenden Basstiefen und Gitarreneruptionen. Ein so vorhersehbarer Klimax wird redundant. Was schade ist für ein Album, das eigentlich so klug gemeint ist.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The world is on fire
- Loup garou
- Furnaces
Tracklist
- Intro
- The world is on fire
- Loup garou
- Furnaces
- Occupational hazzard
- Nothing but a bad trip
- You give me more than love
- Dionysus
- There is a light below
- Last of our kind
- Immoral
- Antarctica
Im Forum kommentieren
Stephan
2016-10-20 13:58:37
Zufälligerweise jetzt in einem Laden gehört. Direkt gekauft.
The MACHINA of God
2016-08-17 22:14:25
Den gibts noch?
Armin
2016-08-17 21:06:03
Frisch rezensiert.
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