The Veils - Total depravity
Nettwerk / SoulfoodVÖ: 26.08.2016
Kein kleiner Tod
Ein David-Lynch-Remake von "There will be blood" unter surrealistischen Splatter-Bedingungen gefällig? Dann bitte hier entlang. Unter anderem mit von der Partie: ein verwahrloster Alt-Hippie mit Loch im Bauch, aus dem schwarze Flüssigkeit rinnt, ein abgerissener Sheriff in beflecktem Feinripp-Hemd und ein Football-Spieler, der von einem Cheerleader am Halsband herumgeführt wird. Wir wünschen abstruse Unterhaltung. Kenner werden jedoch bemerkt haben: Es handelt sich lediglich um das Video zu "Axolotl" von The Veils. Hat sich also was für Freunde der knuffigen, scheinbar dauergrinsenden Schwanzlurche, die dem Stück den Titel geben. Und da wir gerade bei Dingen sind, die nicht zueinander passen: Grollende HipHop-Beatbox, fiese Störfrequenzen und zerschellende Stromgitarren warten schon um die Ecke. Und jetzt kommt gefälligst damit klar.
Moment: HipHop bei Finn Andrews? Was ist da los? Jamie Meline ist los – besser bekannt als El-P, der zuletzt gemeinsam mit Killer Mike als Run The Jewels auf dicke Alternative-Rap-Dreiviertelhose machte und in Los Angeles dem The-Veils-Chef über den Weg lief. Wenig später hieß es Abmarsch ins Studio, um Teile des fünften Albums zu produzieren – etwa die schwer pumpende obengenannte Single, die nicht die einzige elektronische Eskapade auf "Total depravity" bleibt. Auch "King of chrome" holt auf einer unterschwellig durchdrehenden Sequenz Anlauf und lässt kurz sogar an den 1983er Industrial-Kriegstanz "Tribal warning shot" von Hunting Lodge denken. Allerdings nur so lange, bis ein tosender Instrumenten-Zusammenprall den Song so gnadenlos überrollt wie der Protagonist mit seinem 16-Tonner alles, was ihm in die Quere kommt.
Immerhin etwas Erleichterung verschaffen die verhuschten Twangs des perkussiven Klageliedes "A bit on the side" oder der orgelgetränkte Stampf-Ohrwurm "Low lays the devil", der gediegen durch die gleichen Sümpfe watet wie Elle-King-Lebensgefährte Jeff Klein mit seiner Band My Jerusalem auf dem exquisiten Longplayer "A little death". Nur dass sich Andrews längst nicht immer mit kleinen Toden zufriedengibt: Erweist sich "Swimming with the crocodiles" dank behutsamer Rhythmusmaschine und filigraner Blues-Gitarre noch als relativ gefahrlose Angelegenheit, kennt "Here come the dead" keinerlei Gnade: Flirrende Keyboards verpuffen geräuschvoll, die Dunkelheit schluckt sämtlichen Hall auf dem Gesang, durch alle Mischpult-Instanzen gedrehter Fuzz beißt herz- und schmerzhaft zu. Und die Band bricht kurz entkräftet zusammen.
Nach diesem Brocken kommt es nicht ungelegen, dass The Veils in der zweiten Hälfte ein wenig den Dampf aus der Veranstaltung nehmen – ohne dabei an Intensität einzubüßen. Weder beim Tränenzieher "Iodine & iron" noch im wunderbar croonigen "House of spirits", wo Andrews zu glühenden Synthie-Streichern wie ein latent umnachteter Conferencier durch verwunschene Räume führt. Das Titelstück schlägt mit maschinellem Trommelwirbel schließlich die Brücke zum Anfang – wie diese Rezension: Während David Lynch für einige Songs von "Total depravity" sein Studio zur Verfügung stellte, übernimmt Andrews seinerseits eine Rolle in der Fortsetzung von "Twin Peaks". Ob es da erneut verdammt guten Kaffee gibt, wird sich zeigen – ein weiteres verdammt gutes Album haben The Veils hiermit auf jeden Fall auf dem Kerbholz.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Axolotl
- Low lays the devil
- King of chrome
- House of spirits
Tracklist
- Axolotl
- A bit on the side
- Low lays the devil
- King of chrome
- Swimming with the crocodiles
- Here come the dead
- In the blood
- Iodine & iron
- House of spirits
- Do your bones glow at night?
- In the nightfall
- Total depravity
Im Forum kommentieren
The MACHINA of God
2019-11-24 22:08:02
Übrigens wohl mein Lieblings-Auftritt in Season 3.
The MACHINA of God
2019-11-24 22:07:38
Irgendwie unheimlich, dass der Rezensent den Lynch-Auftritt in gewisser Weise orakelt hat. :)
Editor
2019-06-03 08:00:57
Irgendwie ziemlich unterschätzte Band, oder?
Wie großartig ist den "Swimming With the Crocodiles"!
Felix H
2017-08-27 13:23:58
Gordon Fraser
2016-09-07 20:04:30
Werde bislang nicht wirklich warm mit dem neuen Sound - zu krachig-elektronisch für meinen Geschmack. Dahinter stecken ab und zu natürlich trotzdem gute Songs. Aber gerade "Axolotl" ist fast unhörbar für mich.
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