Storno. - Wellness
Salon Alter Hammer / X-Mist / Broken SilenceVÖ: 24.06.2016
Isolation Duisburg
"Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung ..." – "Mir nicht." Kein Kommentar zur aktuellen globalen Lage, sondern ein Satz, den Theodor W. Adorno 1969 dem "Spiegel" in die Blöcke diktierte, nachdem protestierende Studenten seinen Lehrstuhl besetzt hatten. Storno. heißen nicht nur so ähnlich wie der Frankfurter Philosoph, sondern würden diese Antwort vermutlich unterschreiben – obwohl die Band aus Mitgliedern der Duisburger Post-Punks Telemark und der Freiburger Noise-Rocker Kurt auf ihrem ersten Album für sich beansprucht, "eher Wipers als Adorno" zu sein. Eher Industriebarock als Schwarzwald-Idylle, sollte man außerdem hinzufügen, denn die dunkelgraue, verdrießliche Gitarrenmusik des Quartetts drängt sich als Soundtrack zu harten Zeiten geradezu auf. Wellness? Gibt es bei Storno. lediglich im Titel.
Und auch der kann angesichts des gesammelten Unmutes, der sich hier in wenig mehr als einer halben Stunde verdichtet, natürlich nur sarkastisch gemeint sein. Ebenso wie der Opener "Herzlich willkommen", der das "Birth school work death"-Motiv der Godfathers im Telegrammstil durchhechelt, statt auf Power-Pop aber auf kantige New-Wave-Gitarren und spitz zulaufende Bassfiguren setzt. Auch wenn sich der nächste Song mit rasantem Riffing kurz als Art Bruts "My little brother" geriert, der mit Schlüssel um den Hals bockig durch die Straßen stromert und sich garantiert nicht schief von der Seite anquatschen lässt. Auch nicht von Typen, die "Das Bier so schal / Mal wieder Scheiß-Investment" vor sich hin motzen. Manche nennen es Asset-Management auf dem Flaschenboden der Tatsachen – Storno. nennen es "Ausnahme Alltag".
Und anders als hinter dem Bandnamen macht der Vierer danach noch lange keinen Punkt, sondern legt erst richtig los. Gegen nervende Pauschaltouristen, selbstherrliche Ordnungshüter oder penetrante Junggesellenabschiede. Nicht schön, leider auch nicht selten – da kann "Arschlöcher" noch so klirrend den Auftakt von Gang Of Fours "I found that essence rare" nachstellen. Und alle, die meinen, sie müssten tumben Nationalismus zur Schau stellen oder Homosexuelle diskriminieren, haben ohnehin längst verloren – auf "Wellness" wie im richtigen Leben. Sänger Max Nuscheler macht dazu seinem Nachnamen glücklicherweise keinerlei Ehre und bellt dem Hörer Schlagworte wie "Geübter Zynismus, günstiger Beschissmus" oder "Der Zweck heiligt nichts" mitten ins Gesicht – alles was er will, ist nichts mit Euch zu tun haben. Isolation in Punkrock.
Abgehackt bewegen kann man sich dabei nicht nur zu "Peinlich tanzen" – egal, ob Storno. den rohen Rocker auf zackigem Funk-Gerüst nun als Plädoyer für ungehemmtes Abzappeln oder als Spott über das Treiben in der Großraumdisco verstanden wissen wollen. "Talentfrei" hingegen lädt zum Ringelpiez mit Anspringen ein, während "Huch!" nicht nur dank rhythmischer Komplexität, sondern auch mit fingiertem Unwissen über Flüchtlingselend, Obdachlosigkeit und Altersarmut verschreckt. Und wer sagt, er habe von nichts gewusst, den bestraft dieser Brecher auf dem Fuße, bis der Abschluss "Ärgern" den Gemütszustand eines grandios ungehobelten Albums treffend auf den Punkt bringt. Die Songs einmal ausgeklammert, ist hier also gar nichts in Ordnung. Warum? "Weil es einfach Arschlöcher sind!" Die nächste Fahrt in die Wellness-Oase geht abwärts.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Ausnahme Alltag
- Arschlöcher
- Peinlich tanzen
- Huch!
Tracklist
- Herzlich willkommen
- Ausnahme Alltag
- Winter
- Talentfrei
- Arschlöcher
- Reden ist Silber ...
- Peinlich tanzen
- Beisitzer
- Huch!
- Das ist noch gut
- Das Tragen der Funktion
- Ärgern
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eric
2016-08-02 22:34:00
Sehr gut!
Armin
2016-08-02 21:36:28
Frisch rezensiert.
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- Storno. - Wellness (2 Beiträge / Letzter am 02.08.2016 - 22:34 Uhr)