Peter Broderick - Partners
Erased Tapes / IndigoVÖ: 19.08.2016
Alea iacta est
Natürlich spinnt er: Peter Broderick, der König der Konzeptverwurschtelung in der Musik. Die Welt bekam schon eine URL als Text eines griffigen Refrains, ein paar Songs mit Umfrageergebnissen aus dem persönlichen Umfeld oder eine Begleitung zu einem Film über ungelöste Mordfälle zu hören. Keine Ausnahme macht da sein neues Album "Partners". Die Radikalität der Idee ist diesmal wieder in der Hintergrundstory zu sehen: Broderick experimentierte mit dem Zufall, ließ die Noten einer Komposition oder die Auswahl verschiedener Gedichte vom Würfelglück diktieren – und hielt sich nach dem Einspielen der sieben Stücke aus Mixing und Mastering komplett raus. Das fertige Produkt will er vielleicht in fünf oder zehn Jahren mal hören. Er möchte Distanz schaffen zu seinem eigenen Werk, dieses von seiner Person entkoppeln und entfremden. Was wohl der gute Karl Marx dazu sagen würde?
Für den eröffenden Titeltrack hat Broderick zunächst Gedichte verfasst. In jeder Zeile darin ist ein Buchstabe des John-Cage-Stücks "In a landscape" enthalten, welches er im Folgenden nachspielt. Anschließend erwürfelte er die Anzahl der zu lesenden Gedichte (es sind fünf geworden) und deren Auswahl und Reihenfolge, die das Spoken-Word-Intro ergeben. Der Song- und Albumtitel ergab sich schließlich aus dem letzten Wort des letzten Poems. Drei Tracks später wartet dann mit "Under the bridge" die erwähnte aus Zufall gebastelte Komposition, Noten und deren Reihenfolge abermals von Madame Fortuna ausgewählt. Zugegeben, in dieser Art heruntergeschrieben klingt das alles unglaublich gewollt und anstrengend. Doch der Vorteil an der Sache ist: "Partners" funktioniert auch ganz ohne Beipackzettel und Brimborium prächtig.
Die Instrumentierung beschränkt sich durchgehend auf Broderick am Klavier, erinnert stark an "Ruins", Groupers Meisterwerk der Expression von Einsamkeit. Ergänzend schafft die unmittelbare und direkte Aufnahme mit Hilfe radial positionierter Mikrofone eine fantastische, dichte Atmosphäre. Man hört nicht selten den Tritt auf die Pedale, das harte Auftreffen der Tasten. Die konzeptlastigen Songs stellen eher Transitstücke dar, welche durch ihre Unverbindlichkeit und Randomisierung hinter den intensiveren Stellen auf dem Album zurückbleiben. Die eigentlichen Highlights steigern sich dagegen in ihre intrinsische Melancholie hinein. Das vorab veröffentlichte "Carried" gehört mit Sicherheit dazu, balanciert stets auf der Grenze zwischen Ausbruch und Resignation, zwischen Hoffnung und Verzagen.
Wenn Brodericks wortlose Vocals im manischen "Conspiraling" nur verschwommen als unterschwelliges Geleit auszumachen sind, ist das ganz große Kunst. Schon 2010 erschien diese Komposition in erweiterter Form als ganzes Album mit dem Titel "How they are", doch auf "Partners" hat der 29-Jährige die definitive Version gefunden. Ebenso hinterlässt "Sometimes", ein originalgetreues Cover der irischen Songwriterin Brigid Mae Power, einen fantastischen Schlusseindruck. Broderick bleibt radikal in seinem Konzept der Direktheit und bricht das Stück nach 30 Sekunden aufgrund eines Verspielers ab, um neu zu beginnen – noch energetischer, besser und traumhaft schön. Ein irrer Gedanke, dass die Musikwelt das fertige Album nun früher hört als der Künstler selbst. Broderick macht sich damit zum Konsumenten seines eigenen Werks. Aber aus Erfahrung ist bekannt: Als solcher kann man sich glücklich schätzen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Carried
- Conspiraling
- Sometimes
Tracklist
- Partners
- In a landscape
- Carried
- Under the bridge
- Conspiraling
- Up Niek Mountain
- Sometimes
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Armin
2016-08-02 21:34:06
Frisch rezensiert.
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