Dinosaur Jr. - Give a glimpse of what yer not

Jagjaguwar / Cargo
VÖ: 05.08.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Abrahams Wurstkessel

Dinosaur Jr. schauen nicht nur aus wie Typen, die tagein, tagaus in Plattenläden nach Skurrilitäten kruschteln, sie sind wohl auch genau das: Nerds, die in ihrer eigenen Welt leben, schwierige Typen vielleicht, wortkarg und introvertiert, nuschelnd und mürrisch. Und Chef-Dino J Mascis erinnert mit seinem Faible für lilagrüne Klamotten ohnehin an eine menschgewordene Aubergine. Ganz anders stellt sich ihre Musik dar: angenehm unprätentiöser Indierock, der ohne Sperenzchen auskommt und in Zeiten der Stilverschränkung wie ein anachronistisches Überbleibsel wirkt. Der Sound von Dinosaur Jr. zeigt sich unbeeindruckt von aktuellen Tendenzen, fast so, als wäre er irgendwann in einen Dornröschenschlaf gefallen. Das ist angenehm, funktioniert natürlich auch auf dem elften Studioalbum "Give a glimpse of what yer not", einem sehr guten Album, das den Meisterwerk-Status aber verpasst.

Kein Wunder, mag manch einer jetzt prusten, denn seit ihrem Comeback mit "Beyond" im Jahr 2007 veröffentlichten Mascis, Lou Barlow und Murph nur astreine Platten, die in ihrer Retro-Verliebtheit auch viele Hörer fanden, die zur ersten Hochphase der Band noch in Abrahams Wurstkessel schwammen. "Give a glimpse of what yer not" bleibt freilich dem eingetrampelten Pfad treu, wirkt aber ein wenig zurückgenommener, defensiver: Die Gitarrensoli wirken gezähmter, die Melancholie brennt nicht mehr so sehr unter der Haut, das Kribbeln hat nachgelassen. Aber all dies ist Meckern auf hohem Niveau, betrachtet man, mit welcher Kontinuität das Trio musiziert. Und spätestens, wenn dem Hörer im Opener "Goin down" die ersten Akkorde wie flotter Fahrtwind um die Ohren flattern, sind die leisen Zweifel zerstreut, und der Sommer kann kommen.

Das folgende "Tiny" baut dann vor allem auf gniedelnde Gitarren, die im Kontext des Songs gar nicht so "tiny" sind und die in gleichem Maße für offene Schürfwunden und glückseliges Lächeln sorgen dürften. Für die beste Nummer des Albums drosseln Mascis, Barlow und Murph dann das Tempo: "Be a part" drückt ein wenig auf die Tränendrüse, ohne eine Heulsuse zu sein. Die Melancholie bricht sich hier auf wunderbare Weise Bahn, ohnehin ist sie ja in der Stimme von Mascis angelegt, hat dort schon lange Wurzeln geschlagen. Es sind letztlich vor allem solche Momente, für die man Dinosaur Jr. ins Herz geschlossen hat, denn der süße Schmerz, der war bei ihnen schon seit jeher eine der Hauptschlagadern, eine der Antriebsfedern, der Katalysator schlechthin.

Im weiteren Verlauf musizieren sich Dinosaur Jr. durch gewohnt niveauvolle Dinosaur-Jr.-Standardsituationen: Mascis trägt näselnd seine Alltagsbeobachtungen vor und spielt sich die Fingerkuppen blutig, während Murph und Barlow mit stoischer Unaufhaltsamkeit den Weg freiräumen. Experimente und Fisimatenten sind ausgeschlossen, jibbet hier nicht. Man kann sich also wunderbar in diesem Rausch verlieren, über Songgrenzen hinweg, die man ohnehin nicht immer wahrnimmt. Gegen Ende wird es aber noch mal besonders interessant: "Left/right" beginnt mit Zurückhaltung und baut präzise Spannung auf, die sich letztlich in einem Refrain entlädt, der die Arme öffnet und aus einem Album entlässt, das rundum überzeugt, ohne rundum zu begeistern. Sowas geht? Beim heiligen Tyrannosaurus: Yo.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Be a part
  • Left/right

Tracklist

  1. Goin down
  2. Tiny
  3. Be a part
  4. I told everyone
  5. Love is...
  6. Good to know
  7. I walk for miles
  8. Lost all day
  9. Knocked around
  10. Mirror
  11. Left/right
Gesamtspielzeit: 46:18 min

Im Forum kommentieren

noise

2016-09-05 22:05:03

Halte die ...Glimpse... bislang für ein Standard Album von Dinosaur Jr. Was nichts anderes heißt, dass es gut ist. Wenn man nicht gerade Gitarren Fan ist reichen vielleicht auch 3 Alben der Band. Dafür gleicht sich die Musik der einzelnen Scheiben wahrscheinlich zu sehr. Aber mir gefällt der Stil halt weiterhin. Und ja, ich halte die "Farm" auch für ihre stärkste seit der Reunion.

jöörgh

2016-09-05 00:37:58

push

ola podrida

2016-08-22 02:06:45

@fakeboy
neeee

lost all day ist super
hörs über gute kopfhörer u mach die augen zu...

quasinebenbei

2016-08-12 17:45:13

Stimmt, Mirror ist mein persönlicher Liebling.

fakeboy

2016-08-12 12:03:30

Ich glaub es ist mittlerweile vertraglich geregelt, dass Lou jeweils 2 Songs beisteuern darf... "Lost All Day" hätten sie weglassen sollen, dann wäre die Mischung ausgewogen und das Album fast schon perfekt.

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