Graves At Sea - The curse that is
Relapse / Rough TradeVÖ: 01.04.2016
Das Röcheln als Gesangsform
Wer rumkeift wie ein angestochenes Schwein, singt sich eher selten in die Herzen seiner Zuhörer. Und wer das im Duett tut, hat es nicht unbedingt einfacher. Denn mit den romantischen Konnotationen des zweistimmigen Gesangs haben die beiden Herren, die bei Graves At Sea am Mikrofon stehen, überhaupt nichts am Hut. In den meisten Fällen dient der geteilte Vocal-Part in Metal-Kreisen ja dazu, dem ätzenden Schreihals an Mikro Nummer eins eine klare Stimme an Mikro Nummer zwei entgegenzusetzen und den Sound ein wenig aufzulockern. Davon findet sich auf "The curse that is" aber keine Sekunde. Zugegeben, auf mehr als 75 Minuten am Stück ist das zunächst anstrengend, im Endeffekt aber ein Segen.
Denn Graves At Sea schaffen mit einigen ziemlich extremen Mitteln eine Platte, die aufgrund ihrer Konsistenz und trotz aller ihrer anderen Merkmale erstaunlich leicht zugänglich ist. Wer schon immer mal in die extremeren Varianten des Metal reinschnuppern wollte, sich aber nie getraut hat, findet hier den kompromisslosesten Einstieg, den man sich vorstellen kann. Fangen wir an mit den "Trotz"-Argumenten. Erstens: Mehr als 15 Minuten mäandert, schleppt und windet sich "The ashes made her beautiful" durch ein bedächtiges Midtempo. Gitarrenriffs werden angedeutet, manchmal versinken sie im sumpfigen Sound, manchmal ergeben sich die hübschesten Melodien im Hintergrund. Bläser spielen ein paar Moll-Harmonien, der Gesang bleibt über weite Strecken ein heiseres Röcheln. Der zentrale Song ist zwar das längste, zäheste Stück der Platte, aber kurz und knackig ist "The curse that is" nie, wenn man das irrelevante Interlude "Luna lupus ventilator" einmal außen vor lässt.
Zweitens: Graves At Sea kennen sich gut aus in allem, was sich zwischen bedächtig schleppend und langsam marschierend bewegt. Im Grunde spielt die Band Doom Metal, klingt nur weniger verstaubt. Größere dynamische Aha-Momente sind jedoch nicht zu erwarten, auch nicht nach einer Stunde gleichförmigen Tempos. Drittens: Alles befindet sich im Fluss. Ein Riff ist ein Riff und nicht unbedingt eine Strophe, ein Refrain oder eine Bridge. Die Songs auf "The curse that is" sind zwar nicht vollkommen unstrukturiert, die Band hat aber ganz eigene Vorstellungen von Progression.
Bleibt das "Aufgrund"-Argument. Graves At Sea halten auf ihrem Debütalbum über die volle Distanz einen erstaunlich klaren, konsistenten Sound durch, der sich erfreulich weit vom matschigen Standard-Doom, aber auch von der industriellen Präzision anderer Subgenres im Metal entfernt. Die Gitarren klingen so voll, wie sie nur können angesichts beschnittener Höhen. Der Bass hält den Rhythmus und mischt sich in Sachen Distortion nicht zu sehr unter die Gitarren. Und Drummer Bryan Sours hält alle Songs mit leicht jazz-infizierten und sehr organischen Beats zusammen. Das Ergebnis groovt mehr, als die ersten Minuten der Platte vermuten lassen. Klargesang vermisst man an keiner Stelle. Im Gegenteil: Der präzise Sound ist genau der richtige Kontrast zum verbitterten Keifen – ob im Duett oder solo.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The curse that is
- The ashes make her beautiful
Tracklist
- The curse that is
- Dead eyes
- Tempest
- The ashes make her beautiful
- This mental sentence
- The waco 177
- Luna lupus venator
- Minimum slave
Im Forum kommentieren
Mike
2017-09-10 11:11:44
Trifft die Sache ganz gut aber es ist nur ein Sänger, der beide Stimmen singt, nicht zwei. Die Band gibt's schon 15 Jahre in immer wechselnden Besetzungen außer Gitarrist und Sänger, die den Sound prägen eben gerade auch mit dem für das Genre breiten Spektrum an "Gesang".
Mel
2016-07-15 19:38:18
Ist nur ein herr am mikrofon!
Armin
2016-07-05 21:07:27
Frisch rezensiert.
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- Graves At Sea - The curse that is (3 Beiträge / Letzter am 10.09.2017 - 11:11 Uhr)