William Tyler - Modern country

Merge / Cargo
VÖ: 03.06.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Was von Amerika übrigbleibt

Für die Einen ist es absurd, Musik zu politisieren. Sie greifen zu "Modern country" und haben vorher vielleicht aufgeschnappt, dass William Tyler mit Lambchop und Silver Jews gespielt hat und für das Album unter anderem Wilco-Schlagzeuger Glenn Kotche und Phil Cook von Megafaun gewinnen konnte. Folgerichtig erwarten sie Americana. Sie bekommen Americana, ohne Texte und Vocals, reine Instrumentals, sie hören Tylers fähiges Fingerpicking und die vom Minimalismus eines Steve Reich informierten Arrangements in "Gone clear". Was repetitiv ist, verbuchen sie unter plumpem Storytelling. "Highway anxiety" zum Beispiel: Aha, das gleicht einer Schleife, da denkt man doch an die immergleichen Straßen in der Wüste, ja, das muss beklemmend sein.

Für die Anderen gibt es nichts Naheliegenderes, als "Modern country" als Statement zu deuten. Dazu gehört Tyler höchstselbst, der seine Beweggründe in einem Trailer erstaunlich wortreich und mit gewissem Pessimismus aufschlüsselt. Auf einmal ist das Album nichts anderes als ein postpolitischer Abgesang ohne Gesang auf ein Amerika, das bereits zerfallen oder noch im Zerfall begriffen ist.

So verheißt "Highway anxiety" in seiner Schleifenartigkeit eine Zuverlässigkeit und Beständigkeit, die bei zunehmender Heimatlosigkeit verlustig gegangen ist. Das grandios betitelte "I’m gonna live forever (if it kills me)" setzt für zwei zaghafte Sekunden mit einer Drummachine nach Art von Iggy Pops "Nightclubbing" an, entfaltet jedoch einen ganz anderen Charakter: zutiefst melodiös und doch die Fassung bewahrend. Ein ausschweifendes Spiel in starren Strukturen, das Tyler auch in "Albion Moonlight" treibt: ein furchtlos ruhiges, beseeltes Stück, das sich im Titel auf Kenneth Patchens surrealistische Prosa "The journal of Albion Moonlight" bezieht. "Kingdom of Jones" spannt den Bogen von der Sezession und "Reconstruction" der Südstaaten bis hin zur Gegenwart am Mississippi, in der die Widrigkeiten fortwährend schwelen.

Vielleicht muss sich Tyler ab und an vorwerfen lassen, seinen Blick zu oft in die Vergangenheit schweifen zu lassen, ohne Perspektiven für die Zukunft aufzuzeigen. Doch die ideenreichen Kompositionen und die beinahe schon zu gekonnte Produktion sorgen dafür, dass das Album nicht schwerfällig, weinerlich und ewiggestrig anmutet. Stattdessen ist "Modern country" William Tylers gelungener Versuch, seinen getriebenen Geist zu besänftigen, wenngleich seine Welt vor dem Abgrund steht.

(Sohiel Partoshoar)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • I'm gonna live forever (if it kills me)
  • Gone clear

Tracklist

  1. Highway anxiety
  2. I'm gonna live forever (if it kills me)
  3. Kingdom of Jones
  4. Albion Moonlight
  5. Gone clear
  6. Sunken garden
  7. The great unwind
Gesamtspielzeit: 40:09 min

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Gordon Fraser

2016-07-26 19:45:08

Großartig! Normalerweise sind instrumentale Sachen nix für mich, aber das hier geht wirklich schnell ins Blut.

Armin

2016-06-29 20:30:14

Frisch rezensiert.

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