Mourn - Ha, ha, he.
Captured Tracks / CargoVÖ: 03.06.2016
Lach mal!
Mourn in einem Satz? "Vier Musik spielende Nerds, die vor die Tore der Hölle scheißen." Ob der Satz nun mehr als Drohung, Versprechen oder Prophezeiung zu deuten ist, soll jeder für sich beurteilen. Würde den vier blutjungen Katalanen jedenfalls nach vollbrachter Mission an den neun Pforten ein Lachen entfahren, dann hört es sich mit Sicherheit so an: Ha, ha, he. Etwas verschroben und dreckig, wie der Sound, den sie nun seit zwei Alben auf der Erde voranpeitschen. Gitarren, die den Teufeln diesseits und jenseits das Leben zur Hölle machen.
Sie sind natürlich nicht die ersten, die Lachen zur Passion erklären. Der britische Breitbandkünstler und nicht nur von der katholischen Kirche als Wahnsinniger betitelte Poet William Blake hat vor vier Jahrhunderten seine Lebensphilosophie unters Volk gebracht. Darin weist man den Teufel am einfachsten in die Schranken, wenn man lacht. Am besten mit dem ehrlichsten Lachen, das die Natur nur erfunden hat. "Come live, and be merry, and join with me / To sing the sweet chorus of Ha, ha, he!" heißt es in dessen "Laughing song", ausgestoßen von den rundesten Lippen, die Mary, Susan und Emily nur formen konnten.
Wenn Carla Pérez Vas, Jazz Rodríguez Bueno, Leia Rodríguez und ihr Kompagnon Antonio Postius an den Drums ihr Zwerchfell vibrieren lassen, hört sich das weniger nach einer Offenbarung der Natur an, als an das gequälte, verhasste Lachen einer übersättigten Generation, die nichts mehr amüsieren kann. Stoßartig und wutentbrannt schreien sie ihr "Ha! He! Ha! He!" in "Irrational friend" mit Feueratem in die Welt hinaus. Mourn sind auch auf dem Nachfolgealbum zum selbstbetitelten Erstling traurig, wütend und Meister der Kurzform. Nur "Fry me" überschreitet gewagt die Drei-Minuten-Marke und nach nur 26 Minuten Exzess ist auch das letzte bittere Lächeln verstummt.
"Ha, ha, he." geht keine Umwege. Neben den unverwechselbaren teils krächzenden, teils schwelgenden Frauenstimmen ist diese Inszenierung auch auf dem zweiten Album ein Markenzeichen der Band. "Flee" beginnt so, wie es heißt: eine aufgeregte Gitarrenflucht ohne Vocals. Mourn legen im Vergleich zum damaligen Opener "Your brain is made of candy" schon zu Beginn größeren Wert auf Tempo und Kurzatmigkeit. Auf "Evil dead" lasten die schweren Gitarren zum Sirenengesang der beiden Frontfrauen. Ein Blake-Lachen sieht anders aus, was nach den ersten Songs allerdings niemandem mehr auffallen wird. Mourn haben sich nach ihren ersten Erfolgen breiter aufgestellt. Die Musik ist vielseitiger geworden und, wie das wachsende "The unexpected" unverblümt zeigt, überraschend geblieben. Wenn die Stimmen langsam zum flüsternden Chor zusammenwachsen, bevor sich wieder jener Zorn in die Zeilen mischt, den die Katalanen wie kaum eine andere Band dieser Tage auszeichnet.
"Gertrudis, get through this!", das die vier schon längere Zeit bei Auftritten performen, ist gänzlich zum Appell getrimmt, wenn Wort für Wort eine Strophe entsteht: "You / Know / What / I / Think / About / Love / And I / Don't / Want / To / Get through this!" Vielleicht haben sie mit den Höllentoren und dem Lachen insgeheim doch schon abgeschlossen. "Fry me" hört sich anfangs wie Selbstaufgabe an, bis der Bass sich gänzlich von Takt und Rhythmus löst. Ein vergleichsweise langer Abschied am Ende einer Platte, die Songs wie Maschinengewehr-Salven abfeuert. "Ha, ha, he." ist ein Album wie ein schizoides Bösewichter-Lachen, das verstört und fasziniert.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Evil dead
- The unexpected
- Gertrudis, get through this!
- Irrational friend
Tracklist
- Flee
- Evil dead
- Brother brother
- Howard
- The unexpected
- Storyteller
- Gertrudis, get through this!
- President Bullshit
- I am a chicken
- Second sage
- Irrational friend
- Fry me
Im Forum kommentieren
saihttam
2016-07-09 19:52:45
Gefällt mir wie das Debüt eigentlich auch wieder ganz gut. Ich werde sie auf jeden Fall im Auge behalten.
Armin
2016-06-29 20:28:51
Frisch rezensiert.
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