
M. Craft - Blood moon
Heavenly / [PIAS] Cooperative / Rough TradeVÖ: 17.06.2016
Mach mal piano, Mann!
Ein Mann und sein Klavier. Macht nach Adam Riese: 88 Tasten und 208 Knochen. Macht oft aber eigentlich: viel mehr als die Summe der einzelnen Teile. So auch beim Australier Martin Craft, der bislang größtenteils unter dem Radar segelte. Seit vielen Jahren nämlich komponiert Craft schon herrliche Kleinode, die sich stimmungsvoll zwischen Sonnenunter- und Sonnenaufgang schummeln und dabei mit melancholischem Blick die Stunden zählen. "Blood moon", sein neues Album, drängt nun mit etwas mehr Nachdruck ins Bewusstsein. Mit zehn Songs, die betrunken vom Rotwein durch warme Sommernächte taumeln und die sich dann, wenn am Horizont das erste Licht des Tages zu erkennen ist, an sich selbst aufrichten, stolz und prächtig, aber immer noch ein wenig wackelig in den Knien.
Nicht immer benötigt M. Craft dafür Gesang, oft reicht sein warmes Klavierspiel: Mit der nötigen Dosis Dramatik legt bereits der instrumenale Opener "New horizons" los, es klimpert, es glitzert, nervöse Motten tänzeln gen Licht, während die karge Melodie fast schon bedrohlich anschwillt. Auch im weiteren Verlauf verzichtet der Australier hin und wieder auf den Einsatz seiner Stimme und lässt die Schönheit seiner Kompositionen unkommentiert. "Midnight" baut stattdessen auf unheilvolle Streicherarrangements und tiefe Tastentöne, "Morphic fields" hingegen auf ätherische Seufzer und Glockenspiel. Und dennoch sind die besonders zwingenden Momente auf "Blood moon" jene, in denen Craft seine warme, luftige Stimme zum Einsatz bringt, um nachtschwarze Geschichten zu erzählen.
Am tollsten gelingt ihm das zweifelsohne im fantastischen Titelsong, einer hervorragend komponierten Piano-Ballade, die spannungsgeladen beginnt und in ihren fünfeinhalb Minuten Spielzeit mit vielen kleinen Wendungen aufwartet. Jede einzelne davon weiß zu verzaubern. Auch "Chemical trails" zeigt sich der Melancholie verpflichtet, ohne ins Weinerliche abzudriften: Die Instrumentierung bleibt klassisch-reduziert, Craft klingt – wie auch sonst – ein wenig verschnupft, steuert hier aber ab und zu die höheren Tonlagen an. Und auch anschließend kreiert der Singer-Songwriter auf "Blood moon" viele feine Momente von Zartheit, Tragik und Melodieseligkeit. Ob das hymnische "Where go the dreams" oder das anrührende "Love is the devil" – sie alle offenbaren, mit welcher Grandezza der Australier seine Songs ausstattet. Ein Mann und sein Klavier. Macht nach M. Craft: gerne auch mal Gänsehaut.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Blood moon
- Chemical trails
Tracklist
- New horizon
- Blood moon
- Chemical trails
- Afterglow
- Midnight
- Love is the devil
- Me and my shadow
- Morphic fields
- Where go the dreams
- Love is all
Im Forum kommentieren
Obrac
2024-08-20 14:24:21
Ja, eins der bemerkenswertesten Alben der letzten zehn Jahre.
BVBe
2024-08-20 13:26:40
Nach langer Zeit mal wieder gehört - zum Heulen schön. Die reinste Seelenwaschung. Jetzt zu diesem Album mit Kopfhörer im Garten im Liegestuhl liegen und am Sternenhimmel nach Sternschnuppen suchen ...
Armin
2016-06-29 20:26:49
Frisch rezensiert.
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- M. Craft - Blood moon (3 Beiträge / Letzter am 20.08.2024 - 14:24 Uhr)