Red Hot Chili Peppers - The getaway
WarnerVÖ: 17.06.2016
Beim Barte des Propheten
Also nein. Also wirklich. Es ist ja nun nicht so, dass Anthony Kiedis nicht des Öfteren schon mit gar abenteuerlichem Bartwuchs experimentierte. Aber diese Pornoleiste, die die Oberlippe des Frontmanns der Red Hot Chili Peppers auf den Promofotos ziert, geht mal so gar nicht. Zumal das Teil in Verbindung mit der neu erworbenen, nun ja, nennen wir's Frisur, fatal an eine Kreuzung aus Borat und Brüno erinnert. Dabei könnte man eigentlich meinen, die mittlerweile auch im gesetzten Alter befindlichen Herren hätten die Lust an Gesichtsbehaarung verloren. Denn – und jetzt schlagen wir einen verwegenen Bogen zum eigentlichen Zweck dieses kleinen Aufsatzes – den Funk-Legenden stand offensichtlich der Sinn nach einem Wechsel auf dem Produzentenstuhl. Und so beendeten sie kurzerhand die gut 25 Jahre andauernde Zusammenarbeit mit Rick "Vollbart" Rubin.
Der im Vergleich zu Rubin nur mäßig behaarte Brian Burton alias Danger Mouse soll es nun also richten. In der Tat beginnt "The getaway" fluffig, dominiert von einem geschmeidigen Basslauf, den der von seinen diversen Malaisen nach seinem Snowboard-Unfall genesene Flea vermutlich zwischen Kaffee und erster Kippe am Morgen eingeperlt hat. Mehr Dampf hingegen hat die erste Single "Dark necessities", bei der Flea so zurückgelehnt wie entschlossen auf seinen Viersaiter einslappen darf. Und erneut mündet der Song in einen ohrenschmeichelnden Refrain, der von Kiedis geradezu behutsam in den Gehörgang gebettet wird, um dort zu bleiben. Der dezente Keyboard-Einsatz lässt gar das Gefühl aufkommen, ein gewisser Jamiroquai wäre auf Stippvisite im Studio gewesen.
Diese Leichtigkeit ist einerseits herrlich sonnig und überraschend unbeschwert für eine Band, deren Debütalbum bereits 32 Jahre auf dem Buckel hat. Und "We turn red" zeigt die Amerikaner rotzig-funkig wie in alten Zeiten, als die berühmte Tennissocke als Kleiderordnung auf der Bühne ausreichte. Doch auch dort driftet der Refrain in glattere Regionen, die dem Song ein wenig die Kanten rauben, aber dafür umso mehr ohrwurmen. Genau das stellt sich im weiteren Verlauf als Marschroute heraus: Zielsicher impft der Mainstream-Produzent den Songs eine chartoptimierte Hook nach der anderen ein – eine Vorgehensweise, die per se zunächst nicht schlecht ist, doch durchaus Gefahren birgt. Spätestens wenn "Goodbye angels" den Kracher "Can't stop" dergestalt zitiert, als handele es sich nicht um den Einpeitschsong von Wladimir Klitschko, sondern vielmehr um dessen plüschige Kuscheldecke.
Die Widerhaken bleiben in musikalischer Hinsicht also weitgehend aus. Stattdessen dürfte über so manches Ergebnis trefflich diskutiert werden. Ist beispielsweise "Sick love" nun cool as fuck, weil zu Beginn plötzlich Hendrix zitiert wird? Oder ein trauriges Kinderlied, weil der Refrain so schunkelig wie selten geraten ist? Darf "This Ticonderoga" so staubtrocken losbraten, als hätten sich Kyuss wiedervereinigt, nur um dann mit leichter Hand per Tempowechsel aufs Sofa zu bitten? Die Antwort auf alle Fragen ist ein eindeutiges Jein. Denn Red Hot Chili Peppers sind so leichtfüßig wie selten. Bewahren sich dabei eine gewisse Verspieltheit, die etwa aus "Go robot" einen coolen Dancehall-Feger macht. Gleichzeitig jedoch werden die glattgebügelten Mainstream-Optimierungen mit zunehmender Dauer immer nerviger, wünscht man dem Entdecker der Klatsch-Samples mindestens die Pest an den Hals. Dann wiederum ist da "Detroit", diese wunderschöne Hommage an die ehemalige Rock City, bei der sich der Produzent angenehm zurückhält und vor allem den kreativen Geistern Flea und Josh Klinghoffer freien Lauf lässt. In Summe jedoch bietet "The getaway" etwas zu viel von "für jeden etwas" – und eckt vielleicht genau deshalb umso vehementer an.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Dark necessities
- Detroit
- This Ticonderoga
Tracklist
- The getaway
- Dark necessities
- We turn red
- The longest wave
- Goodbye angels
- Sick love
- Go robot
- Feasting on the flowers
- Detroit
- This Ticonderoga
- Encore
- The hunter
- Dreams of a samurai
Im Forum kommentieren
Nun
2018-07-31 08:49:58
Das typische 6/10 Album paar nette Songs aber auch viel Durchschnitt.
nörtz
2018-07-30 23:42:03
Könnte man eigentlich auch mal ne Listenaktion machen, mit den RHCP. :D
Affengitarre
2018-07-30 23:04:32
Der stärkste ist aber natürlich Affengitarre bei dem ich mich recht herzlich bedanke.
Haha, danke, das ist nett! Hat mir auch Spaß gemacht, deine Gedanken dazu zu lesen. :)
Meine spontanen Highlights: "Dark Necessities", "Goodbye Angels", "Encore", "The Hunter" und "Samuray". Starker Abschluss.
edegeiler
2018-07-30 23:03:29
Ach so ja: Ich mag das Album. Sogar sehr.
edegeiler
2018-07-30 23:02:17
Und vorbei. Das Ende reißt einiges wieder raus, denn dort haben die Lieder deutlich mehr Reibungsfläche als die Standard Popnummern (Sick Love) auf der ersten Hälfte. Meine Highlights: Dark Necessities, Encore, The Hunter. Außerdem stark: Goodbye Angels, Feasting, Detroit, Ticonderoga, Samurai.
Der stärkste ist aber natürlich Affengitarre bei dem ich mich recht herzlich bedanke.
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