Future Of The Left - The peace and truce of Future Of The Left
Prescriptions / Rough TradeVÖ: 29.04.2016
Ich war keine Dose
In vier Stunden kann viel passieren. Sechs Updates auf Plattentests.de, zwei Fußballspiele inklusive Verlängerung – oder man kratzt kurz die Kohle für eine neue Platte zusammen. Klingt komisch, ist aber so: Das Ziel der Kampagne, mit der Future Of The Left nach "How to stop your brain in an accident" bereits das zweite Album in Folge per Crowdfunding finanzierten, war nach 240 Minuten erreicht. Bei so viel Loyalität macht sogar der stets geistreich ätzende Andy Falkous seinen Frieden. Jedoch lediglich im Titel – in Sachen Noise-Rock mit hohem Brachialitätsfaktor und ebenso sarkastischen wie absurden Inhalten kracht es erneut alles andere als allgemeinverträglich. Und natürlich wird es für Falkous auf die Frage, warum ein Stück "If AT&T drank tea what would BP do?" heißt, auch weiterhin nur eine denkbare Antwort geben: Warum nicht?
Ebenfalls nicht bekannt ist, warum der zweite Gitarrist Jimmy Watkins nicht mehr zur Band gehört – bleiben außer Falkous also nur seine Angetraute und Bassistin Julia Ruzicka sowie Drummer Jack Egglestone. Gut, dass die Trio-Konstellation für den Waliser schon immer ideales Betätigungsfeld war – egal, ob bei McLusky oder in der Urbesetzung von Future Of The Left. Und auch wenn diesmal industrielle Schlachtfeste wie "Failed Olympic bid" oder die Brutzel-Keyboards aus "Manchasm" draußen bleiben müssen – die Power ist konzentriert, die Catchiness enorm. Etwa wenn sich "Running all over the wicket" zunächst als fieses Bass-Monster in bester "You need Satan more than he needs you"-Tradition vorstellt und dann mit Getöse in den Break-Häcksler wandert. Woanders hieße so etwas vielleicht Math-Rock – hier ist es Abbruchrechnung mit der Abrissbirne.
Diese kommt auch bei den wüsten Reinkarnations-Fantasien von "In a former life" zum Einsatz, das sich neben kreischenden Leads mit einem grenzdebilen Stoiker-Chor herumschlagen muss. "In a former life, everyone was a performer / In a former life, nobody is a container", japst Falkous dazu – ihm doch egal, dass die Verpackungsindustrie vor vielen Jahren mal einen Batzen Geld für die Recycling-Initiative "Ich war eine Dose" ausgegeben hat. "The peace and truce of Future Of The Left" ist ohnehin ein Album, bei dem der Lärm jedes Behältnis zum Überlaufen bringt und das längst nicht nur von surrealen Gaga-Einlassungen lebt, sondern auch jede Menge Punkrock ausschwitzt. Sei es im rabiaten Zweiminüter "Grass parade" oder im sehnigen, an The Faints "Dropkick the punks" angelehnten Brecher "The limits of battleships".
Da sei es dem Frontmann gegönnt, dass er bei "Back when I was brilliant" in der Hansestadt ausspannt, sich auf die Suche nach dem besten Thai-Curry macht und sogar den schlimmsten Fall einkalkuliert: "I'm in Hamburg for a week / Call the undertaker." Und zwar mit derart atemlosem Gekeife, als würde der in Falkous' Gesamtwerk immer mal wieder geistig präsente Jello Biafra schon um die Ecke warten. Im famos taumelnden Knirsch-Hop "50 days before the Hun" pfeift die Beatbox dann auf dem letzten Loch, ehe "No son will ease their solitude" zumindest in der letzten halben Minute die kleinlautesten Töne dieses Albums anschlägt. Wir schließen mit einem Titelvorschlag für einen der nächsten Songs: "If Hillel Slovak was alive would Wales still beat Slovakia in Euro 2016?" Eine Frage, über die man zur Not auch mal vier Stunden lang nachdenken kann.
Highlights & Tracklist
Highlights
- In a former life
- The limits of battleships
- Back when I was brilliant
- 50 days before the Hun
Tracklist
- If AT&T drank tea what would BP do?
- In a former life
- Running all over the wicket
- Miner's gruel
- Grass parade
- The limits of battleships
- Back when I was brilliant
- Eating for none
- Reference point zero
- White privilege blues
- 50 days before the Hun
- Proper music
- No son will ease their solitude
Im Forum kommentieren
Pole
2016-07-05 10:28:23
Bin ich der Einzige, der findet, dass sie nach "Travels" ihrer Form hinterher laufen?
Tom
2016-06-17 11:19:49
Am besten hört man sich dieses Werk zusammen mit der zugehörigen EP "To Failed States And Forest Clearings" an. Sie enthält die Songs, die entweder nicht rechtzeitig fertig wurden oder mangles Händen nicht live gespielt werden können.
Da sind dann auch die irrsinnigen Dinger drauf, die auf anderen Alben zwischendrin eingestreut sind.
Insgesamt ein klasse (Doppel-) Album!
(Übrigens: das dritte Christian Fitness-Album (Falcos "One-man band") entsteht auch schon.)
Armin
2016-06-15 21:50:40
Frisch rezensiert.
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