Hot Hot Heat - Hot Hot Heat
Kaw-Liga / Rough TradeVÖ: 24.06.2016
Wurmbefall.doc_final
Wer kennt es nicht, dieses fiese Tierchen! Setzt sich immer dann fest, wenn man gerade nicht damit rechnet. Nein, die Rede ist nicht von der Kopflaus, die ist nochmal eine Spur unangenehmer. Es geht um den guten alten Ohrwurm. Einmal in der Hörmuschel festgekrallt, lässt er nicht mehr los. Selbst dann, wenn das sich einnistende Liedchen abgrundtief schäbig ist. Hot Hot Heat sind in der Kategorie Ohrwurm eine ganze Weile lang kaum zu schlagen gewesen – im positiven Sinne. Anfang der Nullerjahre, in der Zeit ihrer höchsten Kreativität, kredenzten sie Dauer-Kraller wie "Goodnight goodnight" von der Hitwalze "Elevator" oder "Bandages" von ihrem noch sensationelleren Debüt "Make up the breakdown", die sich als beinahe unsterbliche Würmchen entpuppten. Dabei schienen Hot-Hot-Heat-Hits auch kaum Hürden eines allzu rationalen Songwritings nehmen zu müssen: Sämtliche Harmonien und die beinahe aufdringlichen Singalongs, sie wirkten wie selbstverstädnlich und schossen dem Hörer direkt in Mark und Bein.
"Get in or get out" lautete das Erfolgsrezept, denn die Songs der Kanadier waren damals ein spontan vertontes, überschwängliches Bauchgefühl. Vom heißen Eisen aber ging es so ein wenig ins Niemandsland der Indie-Welt: Nachdem Hot Hot Heat mit "Happiness Ltd." die Kreativität etwas abhanden kam und "Future breeds" sich zuweilen der verkopfteren Song-Schablone bediente und nicht über die volle Spielzeit aus dem Quark kam, legte die Truppe eine Pause ein. Und fand während dieser für ihr fünftes, selbstbetiteltes Album wohl einige Fetzen der unverbrauchten Formel früherer Tage wieder. Diese puzzelten sie zusammen für das unverschämt hittige "Bobby Joan sex tape": Handclaps, Stampfbeat und ein unwiderstehlicher Refrain laden ein zum überfälligen Start in den Sommer 2016.
Etwas unerwartet: Der Vierer aus Vancouver fällt nicht mehr so oft mit der Tür ins Haus, wie die Vorab-Single "Kid who stays in the picture" beweist: Zunächst gänzlich unauffällig, beinahe gleichförmig und verschlafen, entfalten der monotone Stampfbeat und die tolle Gesangsmelodie einen äußerst nachhaltigen Sog. Und kreieren einen Schelm von einem Song, der mit diesen typischen Schräubchen ausgestattet ist, die fast nur Hot Hot Heat so zurecht ins Ohr drehen können. Und am Abend, wenn dieser Sommertag zuende geht, laden Hot Hot Heat zu ihrem dritten Tanzflächen-Frühling: Das luftige "Pulling levers" zirkuliert in leicht 80s-vernebeltem Scheinwerferlicht, bis fein pointierte Bläser die noch versammelte Meute zum Zappeln unter die Discokugel beordern.
Nicht nur dieser Song überrascht, das gesamte Album dürfte in der warmen Jahreszeit deutlich mehr Spaß machen, als man nach den letzten Werken gemeinhin erwarten konnte. Weil den Mannen um Sänger Steve Bays im entspannt wogenden "Magnitude" und mit dem ohrwurmigen "Sad sad situation" wieder die Sonne aus dem Arsch scheint und sie sich auf den Vibe besinnen, der ihrer Musik immer schon gut stand – wenngleich die ansteckende Hektik der frühen Hot Hot Heat nicht wieder vollends zu beleben ist. Ähnlich wie die Zukunft der Band: Nach dieser Platte soll tatsächlich endgültig Schluss sein, verkündete man nur Tage vor dem Release über Twitter. Trotz dieses mehr als würdigen Abschieds: Wir schniefen leise mit. Wo sind die nächsten Ohrwürmchen?
Highlights & Tracklist
Highlights
- Kid who stays in the picture
- Pulling levers
- Bobby Joan sex tape
- Magnitude
Tracklist
- Kid who stays in the picture
- Modern mind
- Pulling levers
- Bobby Joan sex tape
- Magnitude
- Mayor of the city
- Alaskan midnight sun
- Comeback of the century
- Sad sad situation
- The memory's here
Im Forum kommentieren
Jaggy Snake
2020-05-07 12:36:03
Eigentlich schade, dass es nicht mal eine richtige Abschiedstournee oder sowas gab. Mochte die immer gerne.
Gordon Fraser
2020-05-07 01:37:37
Immer noch gut. Neue Lieblinge: "Sad Sad Situation" und "Comeback of the Century". Mit ein bisschen Abstand hört man auch die ganzen mehr oder weniger versteckten Hinweise auf das Ende der Band heraus.
eric
2016-08-17 15:42:56
Das großartige "Pulling levers" klingt eher wie aus "Elevator"-Tagen plus 80s-Einschlag. Einer meiner liebsten Songs des Sommers bisher.
Gordon Fraser
2016-08-17 15:39:04
Schöner Abschied von der Band. Die etwas banale Waschzettel-Phrase wo Hot Hot Heat draufsteht, ist auch Hot Hot Heat drin trifft hier mal voll zu. Könnte alles auch Material aus der "Make Up..."-Zeit sein. In diesem Fall ist das eine gtue Sache.
Armin
2016-06-15 21:50:51
Frisch rezensiert.
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