Klaus Johann Grobe - Spagat der Liebe

Cargo
VÖ: 06.05.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Strecken, biegen

Es muss ja nicht gleich ein Salto Mortale sein. So im Spagat, ein bisschen Schmerz, ein wenig Überwindung und gottgegebene Biegsamkeit, so lassen sich doch alle Liebeswirrnisse und Überwerfungen gut aushalten. Schließlich zeigt die Haltung ja nichts anderes, als den Wunsch zwei entgegensetzte Positionen zu überbrücken. Vielleicht haben Klaus Johann Grobe die einzig ehrliche Haltung hinter Krampf und Sentimentalitäten in der Beziehung zweier Menschen gefunden. Denn genau so hört sich "Spagat der Liebe" an. Da wird nicht getrauert. Da wird nicht angehimmelt. Da sind irgendwo zwei mehr oder weniger Verbundene oder Verlorene in einem allumarmenden Soundkosmos, die sich mal gekonnter, mal angestrengter verrenken, um irgendwie zusammenzufinden. Das muss wahre Liebe sein.

Sich in einen Menschen namens Klaus Johann Grobe zu verlieben, wird trotz aller Bemühungen nicht leicht. Denn dahinter stecken zwei Schweizer, die sich irgendwann auf den Namen einigten, der passenderweise recht bodenständig wirkt. Eine Dreiecksbeziehung mit Sevi Landolt und Daniel Bachmann, die unaufgeregter nicht sein könnte. Statt Endlosdiskussion wie in französischen Beziehungsdramen entspanntes Dahingrätschen auf dem atmosphärischen Mattenboden der Farfisa. Statt wildes Pöbeln wie vor deutschen Ehegerichten eben metronomisches Schlagzeug, das mehr die Zeit als den Zustand taktet. Wer nach Beziehungstipps, nach Rosenkrieg und Romantik sucht, wird auch die nicht finden. Spagat geht anders.

Etwa so. Zwei Menschen, ein Raum, einer will raus, der andere reden – zu Hause: "Komm lass uns bald nach draußen gehen / Siehst du denn nicht, die Sonne scheint? / Da sind so viele Vögel nur / Die lassen uns doch fröhlich sein / Nein, nein." Mitten im Privatleben angekommen, veräußern Karl Johann Grobe unprätentiös Intimität. Die Elektroorgel wabert voran, Grillbäuche in der Sonne zeichnen sich ab, aber der Raum beengt.

Alle Vergleiche hinken, je länger der Spagat anhält. Krautrock? Ist gerade in aller Munde, sagt Landolt in einem Interview. Aber wir sind doch anders. Two Step, Funk, Jazz, Psychedelic? Wurzeln haben sie viele. Aber man macht eben alles, wie man es möchte. Befreit Euch von Genrezwängen, und bevor BHs fliegen, geht es weiter im Text. Selbst die "Rosen des Abschieds" klingen wie ein Aufbruch, auch wenn der Synthielaser Nadelstiche setzt: "Bevor ich noch am Bahnsteig steh' / Da ruft sie bye, bye." Einmal stakst Landolt im Vokalstakkato durch "Pure Fantasie": "Nie wieder schreiben / Nie wieder schweigen / Und wenn Du fragst, wohin ich bin / So komm' doch mit / Ich bring Dich hin." Ein andermal erfordert das gar nicht mal so utopische Idyll nicht mehr als einen Satz: "Liebe am Strand". Am stärksten wirkt der Rausch aus Begierde nach. Genau dann, wenn sich Klaus Johann Grobe von Erzählstrukturen verabschieden und in "Geschichten aus erster Hand" für die Ekstase entscheiden. Endlich nur noch ein Ziel: Tanzentanzentanzentanzen. Wenn in "Springen wie damals" sich jeder Satz im Raum auflöst, hat sich auch die Vergangenheit verflüchtigt, die eindeutig weniger verkopft war. Der Spagat wirkt nach. Neben Schmerzen im Adduktoren- und Herzbereich sagen Klaus Johann Grobe allen Liebenden und Leidenden: Auch Ihr werdet wieder auf den Füßen stehen.

(Bastian Sünkel)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Ein guter Tag
  • Rosen des Abschieds
  • Geschichten aus erster Hand
  • Springen wie damals

Tracklist

  1. Ein guter Tag
  2. Wo sind
  3. Rosen des Abschieds
  4. Pure Fantasie
  5. Heute Abend nur
  6. Geschichten aus erster Hand
  7. Ohne mich
  8. Liebe am Strand
  9. Springen wie damals
  10. Gedicht
Gesamtspielzeit: 39:08 min

Im Forum kommentieren

U.R.Satisfied

2016-06-17 17:28:10

Noch mehr coole Grooves und Vintage-Synths,

kurzum,gelungene Scheibe

AndreasM

2016-06-16 09:30:13

Hmm, das neue Album lässt leider fast völlig den Schmiss des Vorgängers vergessen. Live hatte sich das schon angedeutet, man konnte die Songs der beiden Alben allein schon anhand des Tempos auseinanderhalten. Und langsamer ist ja nicht gleich schlechter, aber hier vermisse ich doch die rödelnde Orgel und die, ohne Rücksicht auf die eigene Stimme, gesungenen Refrains wie bei "Wir zwei".

Manfred

2016-05-22 20:47:40

Ganz ehrlich: LANGWEILIG!

AndreasM

2016-05-19 10:10:04

Sehr schön, dass die Platte jetzt eine Rezension abbekommen hat, wo doch der Vorgänger hier irgendwie durchgerutscht ist. Ich bin schon gespannt und dann verstehe ich vielleicht auch die Hans-Unstern-Referenz!

Sie sind im Moment auch auf Tour:

19.05.16 STUTTGART, Merlin Kulturzentrum
20.05.16 MAINZ, Kulturclub Schon Schön
21.05.16 LEIPZIG, TANZCAFÉ ILSES ERIKA
22.05.16 MUNICH, Milla - Live Club
23.05.16 JENA, Café Wagner Jena e.V.
24.05.16 AACHEN, Musikbunker Aachen
25.05.16 COLOGNE, Tsunami Club
27.05.16 HAMBURG, Molotow
28.05.16 BERLIN, Kantine am Berghain

Armin

2016-05-18 21:53:53

Frisch rezensiert.

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