Rogue Wave - Delusions of grand fur

Easy Sound / Membran
VÖ: 29.04.2016
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Sturm im Wasserglas

Rogue Wave scheinen auch persönlich nicht gänzlich aus dem Schatten ihres Debüts heraustreten zu können. Anders ist es nicht zu erklären, dass nach "Nightingale floors" nun auch "Delusions of grand fur" in Interviews in den direkten Kontext zu "Out of the shadow" gesetzt wird. Während das letzte Album vor allem eine Rückkehr zum früheren Songwriting der Band darstellte, spannt nun die produktionstechnische Herangehensweise den Bogen. Zac Schwartz und Pat Surgeon als Kernfamilie der Gruppe haben ihr neuestes Album im Alleingang produziert: keine Demos, kein Zeitdruck, keine Fremdbestimmung.

Ganz ohne Input von Außen ging es dann aber doch nicht. Während Chris Walla (Death Cab For Cutie) bei "In the morning" an den Reglern saß, geht die Gitarrenstimmung von "Frozen lake" auf Schwartz' zweijährigen Sohn zurück. Statt die eigene Gitarre vor forschen und neugierigen Kinderhänden zu schützen, durfte der Sohnemann nach Lust und Laune an allen Knöpfen drehen. Anschließend erfolgte nur noch das Stimmen der Saiten auf die nächsten vollen Töne, und schon war das Fundament des Songs gefunden. So charmant die Geschichte, so wenig geht das Ganze als Klangexperiment durch und setzt sich folgerichtig auch kaum in eine kreative Songidee um. Überhaupt bleiben viele Einfälle wie die Verfremdung eines Theremins im leicht psychedelischen "Ocean" oder die gedämpfte Aufnahme via iPhone in "Falling" Spielereien, die im Studio sicherlich Spaß gebracht haben, sich für den Höreindruck des Albums aber kaum merklich als Mehrwert fortpflanzen. Auch "Look at me" behandelt mit Waffengewalt ein immerhin hehres Thema, das sich besonders zu Beginn zum aufbrausendsten Stück der Platte faucht und bimmelt, am Ende aber doch ein Sturm im Wasserglas bleibt.

Dagegen bringt das großflächige Experiment mit Synthies in "What is left to solve" dem Sound der kalifornischen Band tatsächlich eine neue Färbung. Das kräftige wie unvermittelte Einsetzen der 80s-Flächen zu Beginn ist positiver Irritationspunkt des Albums. Es wird lediglich noch durch Schwartz' Stimme mit den anderen Stücken der Platte verbunden, gerät ansonsten spürbar düster und im Refrain sogar tanzbar. Klassischer Synthpop-Ansatz statt der altvertrauten Indierock-Gitarren.

Die besten Momente des Albums entstehen jedoch dann, wenn an Ideen und Instrumenten abgerüstet wurde. "Memento mori" (lat.: "Denke daran, dass Du stirbst") verschränkt Akustikgitarre, Schlagzeug, E-Piano und Hall auf der Singstimme schlussendlich zu etwas vielschichtig Neuem und berührt den Hörer am rechten Fleck. Eine feierliche Hymne auf die Vergänglichkeit und damit ein mehr als runder Abschluss des Albums. Mit ähnlichen Mitteln, wenn auch deutlich fröhlicher, betont "Take it slow" die folkige Seite des Rogue-Wave-Songwritings. Und "Endless supply" startet mit dem interessantesten Gitarrensound der Platte und schneidet als Blaupause eines archetypischen Songs der Kalifornier deutlich besser ab, als es bereits "California bride" versuchte.

War das Lossagen von einem Produzententeam als Akt der Befreiung und Erhaltung von Ursprünglichkeit und Spontaneität gedacht, fehlt "Delusions of grand fur" letztlich aber auch ein übergreifender Plan. Trotz oder aufgrund zu viel Spielfreude im Studio wirkt das sechste Album der Kalifornier in Teilen als Ansammlung von Versatzstücken, die zwar neue Richtungen für Rogue Wave klar aufzeigen, textlich sowie musikalisch aber noch nicht vollends gereift sind.

(Andreas Menzel)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Take it slow
  • Endless supply
  • Memento mori

Tracklist

  1. Take it slow
  2. In the morning
  3. California bride
  4. Look at me
  5. Falling
  6. Curious me
  7. What is left to solve
  8. Frozen lake
  9. Endless supply
  10. Ocean
  11. The last picture show
  12. Memento mori
Gesamtspielzeit: 46:18 min

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Armin

2016-05-18 21:54:54

Frisch rezensiert.

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