Wire - Nocturnal Koreans
Pink Flag / CargoVÖ: 29.04.2016
Ausgetrickst
Eigentlich ist es ja ein Grund zur Freude: Gerade mal ein Jahr haben Wire gewartet, um ihren Fans ein neues Album zu servieren. Das gab es seit Ende der Achtziger beziehungsweise Anfang der Neunziger nicht mehr, und obgleich "Wire" nicht alle Erwartungen vollends erfüllen konnte, ist Nachschub der Post-Punk-Legenden immer gern gehört. Im tatsächlich 40. Jahr seit seiner Gründung veröffentlicht das Quartett also sein 15. Studioalbum. Doch halt! Das sollen nur Reste sein? Ganz recht: "Nocturnal Koreans" besteht aus Stücken, die bei den Aufnahmen zu "Wire" auf dem Boden liegengeblieben sind und von der Band noch mal neu bearbeitet wurden. Wohingegen der Vorgänger "respektabel" gewesen sein soll, sei der Nachfolger das Gegenteil, ließ Mastermind Colin Newman unlängst verlauten. Soll heißen: Wire haben tief in die Trickkiste gegriffen, um aus den neuen Stücken, die anfangs zu unfertig wirkten, so etwas wie richtige Songs zu machen. Und wie das eben so ist mit Tricks: Manchmal funktionieren sie hervorragend, und manchmal ... nun ja.
Dabei startet "Nocturnal Koreans" durchaus auf hohem Niveau. Auf einer Art Mini-Album mit nicht mal ganz einer halben Stunde Spielzeit muss vor allem auch der Anfang stimmen, um nicht nur Laune zu machen, sondern diese auch zu halten. So kombiniert der Opener und Titeltrack das ruhelose und hektische Schlagzeugspiel von Robert Grey mit Newmans verschlafenem, beinahe schon abwesend wirkendem Gesang und baut damit eine gespenstische Atmoshäre auf. Auch das darauffolgende "Internal exile" beweist eindrücklich, dass man die Herren trotz ihres mittlerweile fortgeschrittenen Alters noch nicht abschreiben sollte: Wire zeigen hier Experimentierfreude und schmücken die zu Beginn noch akustische Melodie gar mit einer kleinen Bläsersektion auf.
An anderen Stellen hätte ein bisschen mehr Trickserei aber wohl nicht geschadet. "Pilgrim trade" etwa baut sich über seinen kompletten Verlauf auf, verpasst aber letztendlich den erwarteten Ausbruch – und "Dead weight" ist zwar ganz netter, aber leider auch recht austauschbarer Stadionrock. Da kommt der Stakkato-Rhythmus von "Numbered" gerade recht, das nicht nur an "Octopus" – also einen der besten Songs von "Wire" – erinnert, sondern mit den Zeilen "You think I'm a number / Still willing to rhumba / To lay it bare as if I care" auch eine schöne Brücke zu "Three girl rhumba" von ihrem ersten Album "Pink flag" baut. Am Ende bleibt es dabei: Ja, Wire servieren mit "Nocturnal Koreans" eine aufgewärmte Suppe von gestern. Aber immerhin macht sie satt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Nocturnal Koreans
- Internal exile
Tracklist
- Nocturnal Koreans
- Internal exile
- Dead weight
- Forward position
- Numbered
- Still
- Pilgrim trade
- Fishes bones
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Armin
2016-05-11 22:21:05
Frisch rezensiert.
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