Haken - Affinity

InsideOut / Sony
VÖ: 29.04.2016
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Hakens wunderbare Welt der Schwerkraft

Sogar im progressiven Bereich scheinen die Grenzen enger zu sein, als man meint. Veränderungen sind oft kaum der Rede wert. So hat sich eine Band nicht gleich neu erfunden, nur weil ihre Musik auf einmal härter klingen mag. Echte Weiterentwicklungen sind selten, aber nach dem Monty-Python-Motto "Kommen wir jetzt zu etwas völlig anderem" vorzugehen, ist ohnehin nicht die beste Idee, sieht man sich in diesem Falle doch häufig bald mit der eigenen Bedeutungslosigkeit konfrontiert. Also lieber im Rahmen der Erwartungen agieren, den dafür aber richtig ausreizen.

Darauf versteht sich kaum eine Genre-Band besser als Haken. Mit drei gleichermaßen hochklassigen wie betont abwechslungsreichen Alben in kurzer Abfolge haben sich die sechs Briten zu einem der Top-Acts in Sachen Prog gemausert, wobei das anno 2013 veröffentlichte "The mountain" buchstäblich der bisherige Gipfel ihres musikalischen Schaffens war. Das Album changierte mit verblüffender Lockerheit zwischen Rock und Metal progressiver Spielart, verband beispiellos Exzentrik und Eingängigkeit. Eine Pause schien nach dieser Höchstleistung mehr als verdient. Doch zum Faulenzen sind die Briten nicht geschaffen. Abgesehen von der im Herbst 2015 veröffentlichten EP "Restoration", die mit drei alten, aber neu eingespielten Songs eindrucksvoll die inzwischen erreichte Meisterschaft der Band verdeutlichten, floss offenbar jede Minute in die Arbeit an ihrem vierten Album. Denn mit "Affinity" gelingt Haken tatsächlich so etwas wie eine kleine Neuerfindung. Bereits die Entstehung wich vom bis dato üblichen Prozedere ab, da sie durch eine fairere Beteiligung aller Mitglieder am kreativen Prozess gewissermaßen für einen bandinternen Annährungsprozess sorgte. Daher auch der Titel des Albums.

Vor allem aber stilistisch macht "Affinity" vieles anders als seine Vorgänger. Das geht schon beim Cover-Artwork los, das sich mit seinem Retro-Stil deutlich von früheren Illustrationen unterscheidet. "Retro" ist ohnehin das Stichwort, mit dem sich das Album am besten zusammenfassen lässt, lehnt sich die Band doch bewusst an die Klassiker des Genres aus den 70er oder 80er Jahren an. "Everybody knows the 1970s was (sic!) a golden age for prog music", erklärt Gitarrist Charles Griffiths und verweist auf große Namen wie Gentle Giant und Yes. Bereits das kurze Intro "Affinity.exe" gibt mit seinen elektronischen Spielereien die spürbar rückwärtsgewandte und somit aber auch etwas distanziert wirkende Ausrichtung des Albums vor. Das ist keineswegs negativ gemeint. Haken haben sich offenbar einiges von "technokratischeren" Kollegen wie etwa Leprous, mit denen sie auch auf Tour waren, abgeschaut. Nicht die schlechteste Referenz. Konsequenterweise absolviert deren Sänger Einar Solberg einen Gastauftritt im viertelstündigen Parforceritt "The architect".

Die stilistische Umorientierung geht zwar zu Lasten einer angenehmen Atmosphäre, kommt aber der Spannung zugute. In der Folge dürften sich all jene etwas zu kurz gekommen fühlen, die sich von Haken mehr schöne, auf Harmonie bedachte Melodien erwartet haben. Die gibt es Grunde nur im abschließenden "Bound by gravity", dafür aber in erlesener Ausführung. Andererseits klangen Haken trotz einer tief in der Prog-Historie verwurzelten Prägung nie frischer und unverbrauchter. Das liegt auch daran, dass es auf "Affinity" oft auffällig geradlinig zugeht. So ließ das vorab veröffentlichte "Initiate" bei dem ein oder anderen Fan schon Sorgenfalten entstehen, ist hier von Prog im klassischen Sinne doch wenig zu hören. Im Kontext des Albums fügt sich der Song jedoch genauso hervorragend ein wie jedes andere eher auf den Punkt kommende Stück, wobei das düster-groovende "Red giant" unter diesen Titeln heraussticht. "Affinity" unterscheidet sich somit relativ deutlich zu dem, was Haken bisher gemacht haben. Es ist zwar natürlich nichts völlig anderes, aber anders genug, um die Wandlungsfähigkeit dieser Band unter gleichzeitiger Beibehaltung höchster qualitativer Ansprüche zu unterstreichen.

(André Schuder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The architect
  • Red giant
  • Bound by gravity

Tracklist

  1. Affinity.exe
  2. Initiate
  3. 1985
  4. Lapse
  5. The architect
  6. Earthrise
  7. Red giant
  8. The endless knot
  9. Bound by gravity
Gesamtspielzeit: 61:30 min

Im Forum kommentieren

Vennart

2019-08-14 23:50:09

nörtz, "Visions" ist meiner Meinung nach auf "The Mountain" und "Affinity" Level, unbedingt anhören!
Und das Debüt "Aquarius" ist auch empfehlenswert, ist noch etwas rauer produziert und hat mehr Jazz- aber auch Musicalanleihen (oder sowas in der Art, ist teilweise schon ziemlich theatralisch). Besonders mag ich die Passagen, die wie Rummelplatzmusik klingen und inmitten der Progachterbahnfahrten großen Spaß machen.

Poly Golightly

2019-08-14 19:56:59

Kastraten Prog Rock für Musikexperten, die selbst keine Instrumente spielen können.

nörtz

2019-08-14 00:08:59

The Mountain
Affinity
Vector

Das ist schon ein Lauf sondergleichen. Die Alben davor kann ich noch nicht beurteilen.

Vennart

2019-08-13 23:30:32

@Youth
LOL :D

Wäre wirklich schön, wenn Fanatsyfilme solche Musik hätten! Für mich auf jeden Fall ein riesiges Meisterwerk und wahrscheinlich mein Lieblingsalbum der Band, die in diesem Jahrzehnt im Prog-Metal ALLES überragt hat. Sollte das nicht eh schon längst der Fall sein, werden Haken mal in einem Atemzug mit Genesis, Yes und King Crimson genannt werden.

Neuer

2019-08-13 22:35:16

Tolles Album, wieder viel zu lange nicht mehr ejr gehört

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