Susanna - Triangle
Susannasonata / CargoVÖ: 22.04.2016
Soul verlorener Seelen
Im Kopf wummert es nach diesen 22 Songs, als hätte man ihn ebenso oft gegen eine Metallplatte gehämmert. Aber das ist kein unangenehmer Zustand, eher einer, in dem man allerlei blöde und unsinnige Gedanken loswurde. Katharsis nennt man das, die reinigende Kraft nach dem Durchleben des ganzen Bösen, besonders Schlimmen oder des Schmerzes. Susanna beginnt "Triangle" mit Satzbrocken. Nichts sei heilig und das Sakrale verdammt. Niemand gehöre hierhin. Aber wohin? Was als Fetzen aus Parolen beginnt, die in sinistren Sci-Fi-Filmen an die Wand geschmiert sein könnte, artet in einem Durchforsten menschlicher Untiefen aus. Denn alles, Politik, Religion, die Menschheit, alles ist desaströs verkommen, kaputt, wie eben von Susanna durchschaut. Sci-Fi heute. Die häufigsten Worte auf diesem Album: Tod, Nichts, irgendwo dazwischen das Ich. Die häufigsten Verben auf diesem Album: verloren, brauchen, suchen.
Dabei begann die Tortur mit einem Finden. Meilenweit von Menschen entfernt, hoch oben mit einigen wenigen eingepfercht in einem Flieger, irgendwo zwischen amerikanischen Zeitzonen, kam diese jähe Epiphanie zustande, bestehend aus Worthülsen und Melodiefetzen. Später wurden diese sortiert und aneinandergereiht. Die Klarheit ist eine zusammengeschusterte und kann daher nicht klar sein. Hinzukommt, dass diese Bruchstücke hinter mysteriösen Schatten verschleiert wurden. Alles hallt, die Bässe brummen unheilvoll, das Klavier perlt in "Hole" über Synthesizer, als hätte Björk ihre Elektroliebe mit Joni Mitchell geteilt. Drums fehlen nicht, deren eigentliches Pulsieren übernehmen aber andere Instrumente. Auch daher klingt "Triangle" nicht starr und kalt, sondern wie ein Soulalbum für verlorene Seelen. Es ist zeitgleich experimentell im raunenden "This phenomena", wie auch barock im darauf folgenden Kammerstück "For my sins".
"Born again", auch so eine Folgeart der Katharsis, wird vom quirligen Saxophon durchlöchert. Das Titelstück schwärzt sich selbst als messeartiges Requiem, gerade wenn mehrere Susannas geschmeidig singen, gespenstisch fiepen und unselig schwächer werden, bis sie verwehen. Eine weitere Träumerei aus der Versenkung ist "Decomposing", von Einsamkeit hoffnungslos durchtränkt und unnachgiebig am Klavier passierend. Mühselig ist das, so zapfenduster wie die letzte Spelunke auf dem Heimweg, in der nur noch aus zwanghaftem Vergessen gesoffen wird und Hoffnung nur noch aufschimmert, wenn eine weitere Münze über den Tresen wandert. Weil Susanna selbst nicht glaubt, was sie in kommunitaristischen Verheißungen wie dem elektronischen Gospel "Sacred revolution" meint. Keine Seelenrettung, aus diesem Wahn wird hier niemand herausgezogen. Denn: "Death hanging." Hier hängt die Dreifaltigkeit, wenn aus Dir und mir ein Uns wird, wie in der zweiten Hälfte von "Unendlicher Spaß" bei David Foster Wallace gemeint. Dort ist sie auslöschend, auch weil ich und Du und wir genau das sind. Mit einigen Streichern klingt diese Folklore schon beinahe zuversichtlich.
"Triangle" ist ein Album mit 70 Minuten Überlänge, für das niemand je bereit ist. Es ist auch, was man nicht unbedingt jederzeit hören möchte. Da gleicht es einem Film von Michael Haneke oder Jonathan Glazer, für die man nie gerüstet ist, die aber bleiben. Vielleicht zeugt das von Größe, vielleicht zeugt das von Kunst, oder einer übertriebenen Kunstkunst. "Triangle" sollte dosiert werden, vermutlich muss man sich manchmal zum Hören zwingen. Nochmals und nochmals. Im Kopf pocht es weiter.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Holy / sacred
- Hole
- Triangle
- Sacred revolution
- Death hanging
Tracklist
- Holy / sacred
- We don't belong
- Texture within
- Fear and terror
- Before the altar
- Hole
- Shepherd
- Under water
- This / phenomena
- For my sins
- Burning sea
- In the need of a shepherd
- Born again
- Triangle
- Pyramid
- Ebb and flow
- Decomposing
- The fire
- Sacred revolution
- Purple
- Death hanging
- In my blood
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Frau Kepetry
2016-06-01 02:04:31
DAS ist mal wirklich wieder interessante Frauenmusik...
Und da es die nervigen Hipster bisher auch noch nicht "abgefeiert" haben, darf man hier bedenkenlos zugreifen.
MasterOfDisaster69
2016-04-26 14:19:57
Anti-Frühlings-Depri-Mucke, klar kommt so was aus Norwegen. Obwohl teilweise wirklich interessante Soundfetzen und Instrumentalisierung, am Ende dann doch recht anstrengende 70 Minuten. Jetzt mal ehrlich, wer setzt sich denn (mehr als einmal zum Reinhören) jetzt wo die Tage länger und schöner werden, abends in sein Zimmerchen und zieht sich das hier vielleicht noch isoliert über Kopfhörer die lieben 70 Minuten lang rein? Finger hoch! Wirklich so viele? Na hoffentlich sind gerade keine Schlaftabletten im Haus…
Kompakte 12 Songs mit um die 40 Minuten hätten es auch getan.
Highlights:
Holy / sacred
This / phenomena
Burning sea
In the need of a shepherd
Death hanging
6.5/10
Randwer
2016-04-24 10:12:15
Bei The Wire gibt es das Video zu Sacred Revolution zu genießen.
http://www.thewire.co.uk/video/watch-susanna-sacred-revolution
Achim
2016-04-21 00:39:05
Ich kenne bereits das gesamte Album. 8/10 ist absolut angemessen.
Achim.
DOS
2016-04-20 23:59:31
Die schon ausgekoppelten "Singles" (wenn man das bei ihr so nennen darf) sind schon mehr sehr geil und vielversprechend! Bin aufs Album gespannt!
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