Trümmer - Interzone

PIAS / Rough Trade
VÖ: 29.04.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Nihilismus in der Nacht

Im Jahr 2014 schnupperten Trümmer aus der Hansestadt Hamburg, da gerade mal um die 20 Jahre jung, eine steife Brise überregionaler Luft im Rock'n'Roll-Zirkus. Im Sog des Zeitgeists taten sich etliche Konzerte auf, bei denen Trümmer ihr respektables Debüt bis in die letzte Ecke der Republik brachten. Bereichert durch all die Erlebnisse fanden die Jungs ihren alten Proberaum anscheinend arg staubig und verdreckt wieder. Und zieht man den Nachfolger "Interzone" für eine Zustandsbeschreibung zurate, kommt man nicht umhin festzustellen, dass die Band kaum noch wusste, wie man sich dort einst wohlfühlen konnte. Denn "Interzone" lässt die Verweise auf alten Post-Punk-Tage zwar zu, etwa im lärmigen "5:30" oder dem fein tanzbaren "Grüße aus der Interzone", doch schon zum Auftakt wird klar, dass Trümmer den Staubwedel ausgepackt und ihr musikalisches Wohnzimmer einer Blitzblank-Kur unterzogen haben.

"Wir explodieren" legt daher auch gar nicht erst los, ohne den Synthie-Kasten anzuschmeißen und die neue, fette Discokugel an der Decke ins rechte Licht zu rücken. "Eingehüllt in roten Dunst / Finden und verlieren wir uns", stellt Sänger Paul Pötsch fest und teasert damit ein Hauptthema der Platte an: "Interzone" zelebriert Dunst und Unsichtbarkeit im nächtlichen Treiben als Metapher für die grassierende Rückgrat- und Orientierungslosigkeit der "Generation Trümmer". Der Refrain-Vers "Wir sind die Kinder, vor denen uns die Eltern warnten" mutet da gleich ganz anders an: Statt Rebellentum bleibt den Twens Mitte der Zehner anscheinend bloß noch die Unsicherheit. Und diese mündet bei der jungen Generation nicht unbedingt in Agitation, sondern in eine unterschwellige Sehnsucht nach mehr Sicherheit, nach einem Refugium, nach einer neuen Utopie, die Trümmer in ihrer Musik thematisieren. Dabei lassen sich viele Großstadtmenschen derzeit vom Bio-Wahn oder Craft-Beer verführen, von der neuen Biederkeit, die einst auch Adolar anprangerten.

Sind Trümmer nun mittendrin oder strikt dagegen? Schwer zu sagen. Ganz im Zeichen nächtlicher Hingabe steht zumindest "Gin Tonic & Vodka Soda", das so nach einer Tresen-Begegnung mit Wanda entstanden sein könnte. Doch "Interzone" baut sich mit Zeilen wie "Wir sind somewhere in between" auch gerne mal inhaltsleere Puffer, die so mancher Kritiker als allzu bequeme Phrasen entlarven könnte: Musikalisch aber gehen Trümmer tatsächlich mutiger und offener zu Werke als auf dem Vorgänger: "Nitroglyzerin" groovt verdammt selbstbewusst auf einem funky Beat, den man der Truppe so eher weniger zugetraut hätte und wahrt dennoch Zurückgelehntheit, die auch dem folgenden "Dandys im Nebel" gut zu Gesicht steht. "Wir können nichts, außer nichts tun / Aber das können wir gut", lautet das Fazit der Musiker. Solange diese Art des Nihilismus zu Platten wie "Interzone" reicht, nicken wir ab.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Grüße aus der Interzone
  • Nitroglyzerin
  • Wie betrunkene Astronauten

Tracklist

  1. Wir explodieren
  2. Neoncity
  3. Grüße aus der Interzone
  4. Nitroglyzerin
  5. Dandys im Nebel
  6. Wie betrunkene Astronauten
  7. Europa mega monster rave
  8. 5:30
  9. Gin Tonic & Vodka Soda
  10. Das Glitzern der Nacht
  11. Wozu noch Angst
Gesamtspielzeit: 40:41 min

Im Forum kommentieren

ebenfalls ein Nörgler

2016-05-29 14:07:39

Du magst damit recht haben. Trotzdem ist das Album noch zu gut bewertet worden.

Stimmlich unterklassiges Radioniveau. Auf längeren Fahrten würde ich den Sender wechseln. Musikalisch manchmal okay, textlich eher schwach bis manchmal gar peinlich.

Nörgler

2016-04-25 12:21:45

Warum darf jemand diese Platte besprechen, der offenbar keine Ahnung von der Band hat? Und warum geht der damit nicht offen um? Ich finde das anmaßend und ärgerlich.

Armin

2016-04-20 22:32:27

Frisch rezensiert.

Meinungen?

eric

2016-02-29 14:20:45

Ja, textlich war's nicht so prickelnd, mir gefielen zwei, drei Songs aber dennoch gut.

visionsofjohanna

2016-02-29 14:18:13

Ich habe gestern Trümmer als Support für Foals gesehen und sie haben einige neue Stücke gespielt. "Wir werfen aus Flugzeugen Acid auf Berlin und im Regierungsviertel bleibt keiner mehr clean" oder so ähnlich. Textlich ziemlich mau.

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