
Sturgill Simpson - A sailor's guide to Earth
Atlantic / WarnerVÖ: 15.04.2016
Vaterschaftsfest
Mit Songs über Vaterschaft ist das ja so eine Sache. Da gibt es wirklich gelungene Beispiele (David Bowie, Stevie Wonder und ja, Puddle Of Mudd) und eher schnulzige Klischeehymnen (Creed, Billy Joel oder das unsägliche Duett von Billy Ray Cyrus mit seiner Tochter). Und dann gibt es Sturgill Simpson, der mit seinem dritten Langspieler "A sailor's guide to Earth" gleich einen ganzen Opus seinem 2014 geborenen Sohn widmet – und dabei ein kosmisch-souliges Konzeptalbum geschaffen hat, das mit mehrmaligem Hören immer besser wird.
"A sailor's guide to Earth" ist, wie der Titel schon erahnen lässt, als eine Art Leitfaden für Simpsons Spross zu verstehen, der ihn auf die Unwägbarkeiten wie auf die schönen Seiten des Lebens vorbereiten soll, aber auch als Apologese für väterliche Verfehlungen verstanden werden darf. So entschuldigt sich der 37-jährige Vater schon im Opener "Welcome to Earth", das nach einem interstellaren Gänsehaut-Intro à la Bowie zu einer schwungvollen Soulnummer mutiert, für die häufige Abwesenheit – ein Leben auf Tour ist eben nicht immer familienfreundlich. Die groovig-augenzwinkernde Nummer "Keep it between the lines" wiederum hält seinen Erstgeborenen dazu an, seine Fehler nicht zu wiederholen: "Do as I say, don't do as I've done / It don't have to be like father, like son." Weg vom Soul, hin zum Country geht es mit "Sea stories", das dem Sprössling davon abrät, Uncle Sam allzu unterwürfig zu sein und sich der Army anzuschließen. Simpson spricht als ehemaliger Navy-Rekrut aus Erfahrung, und seine Stimme klingt dabei wunderbar ölig, nach Bourbon und ein bisschen nach Kenny Chesney, aber mit wesentlich besseren Songwriting-Qualitäten.
Aufsehen erregte der Mann aus Kentucky schon im Vorfeld der Albumveröffentlichung mit "In bloom", in der er die kultig-rotzige Hymne von Nirvana in ein zartes Gewand aus Streichern und Bläsern packt und damit nach einer Mischung aus Father John Misty und Otis Redding klingt, nach dem Motto: Groove statt Grunge. "He don't know what it means / To love someone", dichtet Simpson zum Originaltext dazu und verleiht dem Song damit eine neue, melodramatische Ebene. Ähnlich schunkelig ist auch "All around you" geraten, das mit Saxophon und Piano an den Stones-Klassiker "I got the blues" erinnert, passend dazu beschwören "Brace for impact (Live a little)" sowie der Schlusssong "Call to arms" die Londoner Legenden in ihrer "Sticky fingers"-Phase, mit heulender Slideguitar, Boogie-Piano und jazzigen Bläsern.
"I'm never going to make anything other than a country record. As soon as I open my mouth, it's going to be a country song", konstatierte Simpson kürzlich gegenüber dem Rolling Stone. Dabei ist "A sailor's guide to Earth" so viel mehr als "nur" eine Countryplatte und dürfte selbst hartnäckige Genreverachter mit seinem eklektischen und so gar nicht altbackenen Stil überzeugen. Der zweijährige Sohn des Urhebers wird das Album zu seinen Ehren vermutlich erst in ein paar Jahren wirklich zu schätzen wissen, wir dagegen können uns jetzt schon daran erfreuen – und uns vielleicht den einen oder anderen väterlichen Rat zu Herzen nehmen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Welcome to Earth (pollywog)
- Keep it between the lines
- In bloom
Tracklist
- Welcome to Earth (Pollywog)
- Breakers roar
- Keep it between the lines
- Sea stories
- In bloom
- Brace for impact (Live a little)
- All around you
- Oh Sarah
- Call to arms
Im Forum kommentieren
fuzzmyass
2020-07-28 13:51:45
Bin erst vor ein Paar Monaten auf das Album gestoßen, aber wirklich absolut klasse! Lyrics, Arrangements, Abwechslung, tolles Nirvana Cover... Das Dead Don't Die Titellied ist auch schön...
Das Nachfolgealbum Sound & Fury ist auch super, da dreht er total ab Richtung Psychedelic Blues Rock, ZZ Top, Black Keys etc...
kingsuede
2019-08-02 20:34:26
Hat ja auch den tollen Titelsong zum neuen Jarmusch „The dead don‘t die“ geschrieben. Das Album ist immer noch grandios mit dem überragenden Nirvana Cover „In bloom“.
diggo
2016-12-13 08:14:07
für mich ganz weit oben auf meiner jahresbestenliste. schade, dass die platte hier nicht mehr aufmerksamkeit bekommen hat.
hmpf
2016-08-07 21:28:20
country-müll.
captain kidd
2016-04-21 00:45:34
Bislang das Album des Jahres. Sehr gefühlvoll und an den richtigen Stellen schön rotzig. To love somebody. Bullshit has got to go.
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