Explosions In The Sky - The wilderness

Bella Union / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 01.04.2016
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Wie im Film

"Eine große Nachtmusik", titelte der geschätzte Kollege Holtmann über der Rezension zu "Take care, take care, take care", dem letzten wirklichen Studio-Album der texanischen Post-Rocker von Explosions In The Sky. Im Falle von deren neuem Werk "The wilderness" müsste die Überschrift dementsprechend "Eine große Filmmusik" lauten – dabei handelt es sich hierbei nicht einmal um einen Soundtrack. Vier solche hat das Quartett mittlerweile veröffentlicht, satte drei an der Zahl allein seit 2013. So richtig überraschend ist es also nicht, dass ihr siebtes Album filmreifer daherkommt, als man von den Herren aus Austin unter normalen Umständen bisher gewohnt war.

Gut möglich aber, dass es auch an dem Einfluss von Produzent John Congleton liegt – der ehemalige Frontmann der Indie-Rock-Formation The Paper Chase arbeitet nebenher immer wieder an verschiedenen Score-Projekten, unter anderem für MTV und eben auch mit Explosions In The Sky für den Film "Friday night lights" und die dazugehörige (großartige!) TV-Serie. Gemeinsam haben sie mit "The wilderness" nun die bisherige, relativ klassisch post-rockige Studioleistung mit den etwas epischeren und experimentelleren Soundtrack-Komponenten zusammengeführt. Das Ergebnis ist erstaunlich: Auch ohne dazugehörige Bilder entwickelt das Album durchaus eine Art visuelles Eigenleben.

Das dürfte bei eingefleischten Fans sicher für ein anfängliches Stirnrunzeln sorgen. Jegliche Sorge ist aber unbegründet – zwar deutet die erste Single "Disintegration anxiety" in der ersten Minute einen gewissen Abgang vom gewohnten Post-Rock an, vollzieht ihn jedoch nie wirklich. Danach marschieren Explosions In The Sky wie eh und je nach vorne und spielen mit dem einen oder anderen verzerrten Soundfetzen, ohne den berüchtigten roten Faden zu verlieren. Deutlich kürzer und knackiger gibt sich "Infinite orbit", das erst hektisch durch die düsteren Gassen von Austin huscht und im letzten Viertel seiner Spielzeit von knapp zweieinhalb Minuten endlich die langersehnte Helligkeit findet.

Das Spiel zwischen Licht und Schatten ist ohnehin seit jeher Bestandteil ihrer Musik, das macht auch "Logic of a dream" einmal mehr deutlich, das sich gelungen in zwei Teile spaltet: Die düstere, melancholische und schließlich fast schon wütende erste Hälfte macht nur widerwillig den Weg frei für die im besten Sinne naiv wirkende, geradezu beschwingte zweite. Manch einer mag da den Ausbruch gegen Ende vermissen, der auf diese Art mittendrin stattgefunden hat – darüber dürfte "Colors in space" hinwegtrösten, das kurz vor Schluss mit leichten Ambient-Anleihen genau auf jeden Moment hinarbeitet, auf den man im Film immer wartet: Das Ende der Reise ist fast erreicht, die Erlösung naht, aus einem kleinen Hoffnungsschimmer wird fast schon greifbare Euphorie. Explosions In The Sky sorgen nicht nur für diese entscheidende Finalszene, sondern setzen mit dem beruhigenden "Landing cliffs" die passende Untermalung für den Abspann gleich noch obendrauf. Film vorbei, Popcorn alle – und der Held hat überlebt. Wie immer.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Wilderness
  • Logic of a dream
  • Colors in space

Tracklist

  1. Wilderness
  2. The ecstatics
  3. Tangle formations
  4. Logic of a dream
  5. Disintegration anxiety
  6. Losing the light
  7. Infinite orbit
  8. Colors in space
  9. Landing cliffs
Gesamtspielzeit: 46:38 min

Im Forum kommentieren

Akim

2017-01-08 12:55:50

"Logic of a Dream".. Was für ein Song! Bei mir sind es exakt die gleichen Highlights wie in der Rezi. Kommt echt selten vor.


Akim

2017-01-08 12:53:49

Als das Album erschienen ist, war ich nicht in der Stimmung es zu hören. Vor knapp zwei Wochen dann nochmal versucht und nun kann ich mich nicht mehr satt hören. Ein klasse Album, die 8/10 ist für mich voll gerechtfertigt.

Affengitarre

2016-04-16 14:54:05

Schon ein hübsches Album geworden. Bin nicht der größte EITS-Fan, mag aber die "The Earth is not a..." ganz gerne. Rezension ist auch gut geworden.

Herder

2016-04-15 17:34:22

Also Gänsehaut hat sich bei mir sehr schnell eingestellt, insbesondere bei "Logic of a Dream" und "Disintegration Anxiety" - dieses von Störgeräuschen durchsetzte Aufbäumen und Poltern, dass dann in eine zart-beschwingte Melodie überführt wird, ist schon ziemlich klasse.

Jennifer

2016-04-15 13:19:02

der Gänsehautfaktor ist aber (bislang) noch sehr gering einzustufen

Passierte bei mir tatsächlich auch erst nachts und mit Kopfhörern. Dann aber richtig.

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