Moderat - III

Monkeytown / Rough Trade
VÖ: 01.04.2016
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Fuck, I'm famous

Es sollen ja wahrhaftig Tränen geflossen sein bei den Aufnahmen zu Moderats drittem Album "III". Nicht aus Freude, sondern weil sich Gernot Bronsert und Sebastian Szary, die sonst als Modeselektor unterwegs sind, und Sascha Ring alias Apparat gequält haben. Vergleichbar mit musikalischem Abstiegskampf. Lange Zeit läuft es nicht, Du hängst unten drin, wartest, bis der Knoten platzt und kämpfst Dich dann befreit nach oben. Und wo oben ist, sind Moderat. Was die Qual auch erklärt. Die Wahl-Berliner können und wollen nicht mehr Irgendwas abliefern. Was seine Anfänge vielleicht mal in unbekümmertem, spielerischem Probieren fand, ist längst ambitionierter Teamarbeit gewichen. Moderat sind spätestens seit "II" größer als ihre einzelnen, durchaus ja wertgeschätzten Teile.

Als sie wegen der großen Nachfrage Auftritte in größere Venues verlegten, fürchteten einige Fans in angesäuertem Ton Klangeinbußen in den "Upgrade-Hallen". Moderats Antwort: Man spiele die "kleinstmögliche Version der großen Hallen", trenne Räume ab und spare nicht bei Soundsystemen. "Versucht uns zu vertrauen." Bei einer Band, zu deren Stärke detaillierte Soundarbeit gehört, wäre das nicht weniger als fair. Das beste Argument lautet ohnehin "III" und ist Moderats bislang kompakteste, vokalischste Platte. Die Hauptstädter verdichten ihren elektronischen Kosmos. Scheuklappen haben sie nicht auf, nur entfällt auf dem Drittling eine so große Spanne wie zwischen dem minimalistischen Club-Meisterwerk "Milk" und den gelöst getröteten Pop-Tranchen in "Bad kingdom" auf "II".

Kontraste lassen sich auch anders generieren. Wer sich bei "Ethereal" etwa nur auf die hektische Rhythmik konzentriert, kann leicht Herzkammerflimmern bekommen. Parallel aber dehnen Moderat Blechblastöne und lässt Sänger Ring seine Stimme titelgebend himmlisch vondannengleiten – und so formen sie ein harmonisches Ganzes. Im formidablen "Running" zwinkert nebst Subbässen ein gelber Pillen-Smiley und beschwört mit Rave- und Acidpartikeln Moderats Sozialisation. Einmal mehr gelingen Bronsert, Szary und Ring salonfähige Electronica-Sounds, die ihre Ursprünge im Underground haben, dem die Band wiederum inzwischen schlicht entwachsen ist.

So eng das Korsett des lange Zeit dadaistisch wirkenden "Finder" zunächst geschnürt ist, so sicher kann man sein, dass ihnen die Menge bei Liveauftritten gierig folgen wird. Der relaxte Beat schüttelt über Minuten effektgenerierte vokalische Elemente ab. Im Moment klanglicher Öffnung würde David Guetta den Bass droppen oder ein eisernes Reptil in den Hexler werfen. Das machen Moderat nicht. Sie entzünden lediglich ein Tischfeuerwerk und ihre Version eines Didgeridoos. Ein Spiel mit Erwartungen und dem offenen Ende auf Seiten von Moderat. Das triphoppige "Ghostmother" addiert beispielsweise Backing-Vocals und endet mit smoothen Saxophontönen. Genügend zelebrale Momente warten ohnehin noch auf "III", im brünftigen Bass von "Animal trails" etwa und dem hymnisch-orchestralen Grollen des Hits "Intruder".

Für die Rhythmik der Single "Reminder" zeichnet sich eine Holzpalette verantwortlich, die als Hofdiener der sich stetig auftürmenden, synthetischen Fläche arbeitet und den wiederkehrenden lyrischen Teil "Burning bridges light my way" kredenzt. In jener Zeile und auch in der sanften, psychisch angekratzten Haltung Rings spiegelt sich wider, dass Moderat in dieser unaufgeregten Atmosphäre, trotz Techno, Glitch und Breaks Sprechblasen der Introspektive mit Leben füllen. Ängste, Selbstzweifel, Selbstfindung, das spielt eine Rolle in ihren Texten. "Meditation / Medication / I'm eating the hooks that tear me", singt Ring im Opener, dessen Bass wie ein Herz agiert, das bis zum nächsten Schlag immer wieder kurz innehält. Denk, bevor Du springst. Kluges Organ.

(Stephan Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Running
  • Ghostmother
  • Reminder
  • Intruder

Tracklist

  1. Eating hooks
  2. Running
  3. Finder
  4. Ghostmother
  5. Reminder
  6. The fool
  7. Intruder
  8. Animal trails
  9. Ethereal
Gesamtspielzeit: 42:33 min

Im Forum kommentieren

derp

2017-08-04 17:12:24

Glücklicherweise hab ich sie noch beim Maifeld live erwischt. Große Band, aber auf Neues von Apparat und, mit Abstrichen, Modeselektor freu ich mich auch.

Stephan

2017-08-04 16:48:03

Pause auf unbestimmte Zeit bei Moderat.
Bei Facebook schreiben sie

"Hi Everybody, When we started Moderat it was meant to be a fun-thing, a playground and sort of a vacation from our individual projects.
It’s still fun and becoming a band after all these years was a real experience. A long way considering we all started as Dj’s in dirty basements.

But after 4 years of this, non stop, we feel that Moderat now is what we need to take a vacation from.
After our final show on September 2nd at Berlins Wuhlheide, an amazing open air venue, we will go back to Modeselektor and Apparat.

Thanks for the ride, hope to see you again!

G/S/S"

Und hier gibt es noch einen langen Artikel:

http://lolamag.de/feature/the-end-of-moderat/

Armin

2016-12-09 20:42:29

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boneless

2016-10-04 22:33:00

Hm. Es waren ca. 3000 Leute gestern im Schlachthof. Bei einem Ticketpreis von 37 Euro pro Nase glaube ich nicht, dass Moderat am Hungertuch nagen. Aufwendige Lichtshow hin, Roadies und Konzerthallengebühren her...

Cosmig Egg

2016-10-04 22:10:21

ich find die Preise eigentlich ziemlich moderat

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