Pet Shop Boys - Super

X2 / Kobalt / Rough Trade
VÖ: 01.04.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

30 Jahre wach

Neil Tennant geht gerne ins Berghain. Statt zum Tanzen eigenen Angaben zufolge allerdings lieber zum Frühstücken. Was es da wohl gibt? Rührei fürs Gehirn womöglich? Und ob man sein Essen fotografieren darf, seit die Türsteher die Smartphone-Linsen mit Aufklebern zupappen? Egal – Hauptsache, es schmeckt "Super". Ein für den 61-Jährigen mit Zweitwohnsitz Berlin so typisch deutsches Wort, dass er und Kollege Chris Lowe ihr 13. Studioalbum danach benannten, nachdem schon die Vorabauskopplung "The pop kids" den Arbeitstitel "Munich" getragen hatte. Und vielleicht sind Pet Shop Boys ja so etwas wie Kraftwerk mit anderen Mitteln: very British statt streng teutonisch, Melone auf dem Kopf statt Taschenrechner in der Hand, immer mit neuem Material beschäftigt statt mit der eigenen Denkmalpflege. Okay, zugegeben: Vielleicht sind sie es auch nicht.

Denn von "Super" zu "Die Roboter" ist es nach wie vor ein gutes Stück – schließlich beklagt Tennant in einem Song die "Sad robot world" in vollautomatisierten Automobilfabriken, statt sie zu feiern. Einer der wenigen melancholischen Momente eines Albums, auf dem Pet Shop Boys dann doch tanzen gehen wollen, weil es bei "Electric" so schön war. Im Schlepptau haben sie mal wieder Zoot-Woman-Mann Stuart Price nebst vieler toller Dinge, die sich in knapp 30 Jahren angesammelt haben: Synthie-Pop mit leichtem House-Dressing, melodiegetriebene Hi-NRG-Disco, rotierende Bässe aus der Techno-Zentrifuge sowie ein paar charmante Sinnlosigkeiten, auf die auch Giorgio Moroder stolz wäre. "They called us the pop kids / 'Cause we loved the pop hits / We quoted the best bits" – der Refrain der ersten Single ließe sich genauso gut auf Tennant und Lowe beziehen.

Die Kunst des (Selbst-)Zitats springt dem Hörer auch aus "Super" oft entgegen – wenn auch unter veränderten Rahmenbedingungen, denen Pet Shop Boys vor allem auf inhaltlicher Ebene gewohnt listig Rechnung tragen. "Twenty-something" ist nicht nur ein formidabler Klopfer mit ausgelassen hüpfender Sequenz, sondern erörtert auch die unbezahlbaren Lebenshaltungskosten in London und schlägt so eine schiefhumorige Brücke zum ähnlich klöppeligen 80er-Hit "Rent". Gedrückter gibt sich "The dictator decides" mit Tennant in der Rolle eines Gewaltherrschers wider Willen – nach "Dreaming of the Queen" vom 1993er Album "Very" der nächste fiktive Einblick ins Innenleben eines Staatsoberhauptes, der außerdem zum wenig schmeichelhaften Schluss "My facts are invented / I feel quite demented" kommt. Nur Kim Jong-un gefällt das nicht.

Stoff zur Elektrisierung zuckender Massen bleibt danach genug – und dass das mehrfach abbremsende und wieder Fahrt aufnehmende "Inner sanctum" offenbar ausgiebig am Trance-Klassiker "The age of love" geschnüffelt hat, weiß inzwischen nicht nur das Plattentests.de-Forum. "Undertow" täuscht im Intro "Little lies" von Fleetwood Mac an und mausert sich zu einem unwiderstehlichen Uptempo-Bolzen über die bedrohliche Dimension des Zwischenmenschlichen, während Lowe seinen Maschinen voluminöse Explosionen entlockt. "We're gonna burn this disco down before the morning comes", versichert Tennant kurz vor Schluss zu Flächenbrand-Synthies und perkussiver Rüttelei, ehe Pet Shop Boys auf lockeren Breakbeat-Schlaufen "Into thin air" entschweben und sich entspannt aus einem durchgängig vorzüglichen Album verabschieden. Frühstück gefällig?

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The pop kids
  • Twenty-something
  • The dictator decides
  • Undertow

Tracklist

  1. Happiness
  2. The pop kids
  3. Twenty-something
  4. Groovy
  5. The dictator decides
  6. Pazzo!
  7. Inner sanctum
  8. Undertow
  9. Sad robot world
  10. Say it to me
  11. Burn
  12. Into thin air
Gesamtspielzeit: 46:40 min

Im Forum kommentieren

Mixtape

2016-04-07 05:58:42

Gefällt mir besser als der Vorgänger, weil die Songs wieder poppiger sind und auf Gast-Rapper verzichtet wurde.

Stephan

2016-04-04 17:20:10

Wächst bei mir auch noch einmal. 7/10.
Derzeit unter den Highlights für mich "The pop kids", "Inner sanctum" (trotz oder wegen o.g. Ähnlichkeiten), "Sad robot world" und "Burn".

Joe Turtle

2016-04-04 13:03:49

CDs ist schlussendlich die Fortsetzung von Electric, diesmal als 3.0. Diesmal ist jeder Track betanzbar und der Klang der CDs klingt so herrlich elektisch Pop. Sowas müsste Depeche Mode mal wieder hinbekommen, dann ist die Welt wieder in Ordnung!

musie

2016-03-30 15:36:31

@Mr. Orange: Da hast du schon recht. Mir gefallen halt die PSB besser, wenn sie ein bisschen melancholisch sind. Being Boring, Way it used to be etc. Auch die letzte war mir zu knallig. Ist natürlich Geschmackssache.

Mr. Orange

2016-03-30 15:25:03

Beste Tracks des Albums sind für mich im Moment die beiden sehr dancelastigen "Undertow" und "Burn", letzteres fehlt aus meiner Sicht in der hiesigen Rezension bei den Highlights.

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