Fatima Al Qadiri - Brute

Hyperdub / Cargo
VÖ: 04.03.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Hallo Polizei

Teletubbies können verdammt spooky sein. Das weiß man spätestens seit diesem Video. Und jetzt auch noch das: Eine der grenzdebile Laute von sich gebenden Figuren aus dem Kinderprogramm ziert das Cover des neuen Albums von Fatima Al Qadiri. Der Haken an der Sache: Wahlweise Tinky-Winky, Dipsy, Laa-Laa oder Po steckt in der Uniform einer taktischen Spezialeinheit und ist vermutlich bis an die Zähne bewaffnet. Dieses Motiv aus einer Installation des Kollegen Josh Kline konnte sich die kosmopolitische Konzeptkünstlerin für ihre Tracksammlung mit dem zentralen Thema Protestbewegungen und Polizeiwillkür natürlich nicht entgehen lassen – schließlich stellte sie mit dem multimedialen Kollektiv GCC bereits im New Yorker Museum Of Modern Art aus, wenn sie nicht gerade bei Future Brown mitmischt.

Grund genug für "Brute" gibt es: Ferguson, Euromaidan, Blockupy – die Liste der Anlässe, bei denen Protest mit staatlichen Mitteln niedergeknüppelt wurde, ist lang. Hierzu muss man wissen, dass Al Qadiris Beziehung zur Gewalt eine besondere ist: Zu Hause in Kuwait zockte die Tochter eines Diplomaten als Kind mit ihrer Schwester Kriegsspiele vor dem Bildschirm, während draußen Bomben fielen – was sie 2012 auf der EP "Desert strike" mit rigiden Grime-Rhythmen, unheilvoll schwelenden Atmosphären und digitalen Gewehrsalven illustrierte. Ähnlich drastische Mittel fährt dieses Album auf: Vom unwirklich entrückten Sound des hochgelobten, aber eher als Stilübung funktionierenden Vorgängers "Asiatisch", der fernöstliche Klänge durch die Mühle alles verramschender westlicher Konsumkultur drehte, ist auf diesen elf Stücken nicht mehr viel übrig.

Platz für Vocals bleibt nicht – Al Qadiri lässt die Realität erzählen. Und wenn zum Auftakt eine Megaphonstimme eine Versammlung eigenmächtig zur nicht mehr friedlichen erklärt, wird klar: Brutaler Gewalt geht in der Regel brutale Dummheit voraus. Es folgen Feldaufnahmen gesundheitsschädlicher Schallkanonen, grollende Fanfaren und abgrundtiefe Bässe, die den Synthies genauso ungerührt entweichen wie Gummigeschosse einem Mehrzweckwerfer. Die finstere Strenge der elektronischen Drohgebärden erinnert dabei nicht selten an industrielle EBM-Acts wie Test Dept. oder Terror Against Terror, die einst militaristischen Irrsinn mit gnadenlosen Maschinenmärschen kommentierten. Nur dass es hier fragmentierte Breakbeats sind, die beunruhigende Tracks wie "Breach" oder "Battery" auseinandersprengen und gleichzeitig zusammenhalten.

Eine Annäherung beider Seiten ist nicht in Sicht: Nicht umsonst diffamiert das beklemmende "Blows" Demonstranten eingangs als unruhestiftende Chaoten, während am Ende des Stücks eine andere Stimme das harte Vorgehen der Ordnungskräfte anklagt. Bloß "Oubliette" lässt den Hörer mit schwerelos glitzernden Flächen beinahe beruhigt die Augen schließen – würde die krachend zufallende Tür einer Arrestzelle ihn nicht auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Al Qadiris Soundarsenal ist zwar limitierter als das vergleichbarer Produzentinnen wie Inga Copeland oder Laurel Halo – doch dafür steckt sie ihren ganzen Zorn in jedes abgesägte Sample und jede noch so kleine bedeutungstragende Einheit dieses düsteren Albums. Wer davor die Ohren verschließen möchte, soll ruhig weiter die Teletubbies gucken. Winke winke, Demokratie.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Breach
  • Battery
  • Oubliette
  • Blows

Tracklist

  1. Endzone
  2. Blood moon
  3. Breach
  4. Curfew
  5. Battery
  6. 10-34
  7. Oubliette
  8. Blows
  9. Aftermath
  10. Fragmentation
  11. Power
Gesamtspielzeit: 36:12 min

Im Forum kommentieren

Armin

2016-03-16 20:38:07

Frisch rezensiert!

Meinungen?

2010-08-05 17:57:26

( ̄へ ̄ )orly?

2010-08-05 17:56:36

( ̄へ ̄ )

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