Kendrick Lamar - Untitled unmastered.
Interscope / UniversalVÖ: 11.03.2016
Unabgeschlossen abgeschossen.
Es war die womöglich royalste Unterhaltung des Jahres 2016. Unklar ist, was sich Basketball-Star LeBron James, der von seinen Fans auch gern King James genannt wird, am 23. Februar wirklich dachte: Mittels eines Tweets wandte er sich da an Kendrick Lamar – HipHop-Sensation und als King Kendrick mitterweile quasi zum Oberhaupt seines Fachs gekürt – und forderte einen baldigen Release der bis dahin unveröffentlichten Stücke, die Lamar in diversen Shows präsentierte. Der antwortete brav und versprach, darüber nachzudenken. Etwa eine Woche später, am 04. März und damit gut ein Jahr nach seinem letzten Album "To pimp a butterfly", ließ er "Untitled unmastered." auf die Öffentlichkeit los. Was vielleicht als harmloser Scherz begann, wurde plötzlich Realität – und Lamar zeigte so kurz nach Kanye Wests lächerlichem Veröffentlichungs-Drama rund um "The life of Pablo", wie man den Vogel richtig abschießt. Denn der 28-Jährige zielt nicht einfach nur. Er trifft. Und wie.
"Untitled unmastered.", das von offizieller Seite als Projekt denn als wirkliches Album betitelt wird und aufgrund der hohen Nachfrage am 11. März 2016 auch physisch veröffentlicht werden soll, besteht aus rohen, teilweise unfertigen, allesamt aber ungemasterten Stücken, die bei den Aufnahmen zu "To pimp a butterfly" auf dem Studioboden liegengeblieben sind. Doch der Schein trügt: Von Begriffen wie Resteverwertung kann man hier getrost Abstand nehmen. So sorgte das großartige "Untitled 03 | 05.28.2013." dank seiner Dynamik und seiner nicht von der Hand zu weisenden Ähnlichkeit zu "King Kunta" bereits bei seiner Erstaufführung in Stephen Colberts ehemaliger Show "The Colbert report" für Jubelstürme und ist jetzt, da es endlich veröffentlicht ist, ein echtes Highlight des noch jungen Musikjahres.
Auch "Untitled 08 | 09.06.2014." konnte sich bereits beim Auftritt in Jimmy Fallons "Tonight show" erstes Gehör verschaffen und ist einer der wohl deutlichsten Beweise dafür, dass die Songs bei den Aufnahmen zu Lamars letztem Meisterwerk entstanden: Dem so frei wie fröhlich wirkenden Beat trotzend, sinniert Lamar erst über die Vergänglichkeit von Ruhm und Reichtum, bis er schließlich den Vergleich zwischen seiner Heimatstadt Compton und der südafrikanischen Metropole Kapstadt zieht – gefolgt von einem sicher mit Augenzwinkern versehenen "Pimp pimp hooray"-Ausruf. Den hört man auf "Untitled unmastered." öfter, so auch im druckvollen "Untitled 02 | 06.23.2014.", in dem er zwischen Singen, Nölen, Rappen und Nuscheln wechselt, als hätte er die vielen verschiedenen Persönlichkeiten, für die er steht, längst zu einer einzigen zusammengefasst.
Ganz abwegig ist das wahrscheinlich auch gar nicht: Spielerisch wandelt Lamar zumindest zwischen den zwei gegensätzlichen Rollen seines Daseins, die er auch schon in "Wesley's theory", dem Opener seines letzten Werkes, ansprach und die er im von Cee-Lo Green unterstützten Lounge-Track "Untitled 06 | 06.30.2014." thematisiert. Der Kalifornier, Sternzeichen Zwilling, ist sich der beiden Seiten seines Charakters bewusst: So kann er bei der Grammy-Verleihung den Finger auf die Wunde der Wegschauenden legen, medienträchtig in Handschellen und Knast-Outfit auf die Bühne gehen und Gift und Galle spucken, sich gleichzeitig aber auch mit dem All-American-Girl und Popstar Taylor Swift ablichten lassen und in deren Video auftreten. Beides macht er mit aller Konsequenz und unverfälscht – was ihn von seinen Mitstreitern im Rap-Business unterscheidet, die dem Posertum der so oft angepriesenen Realness nur allzu oft den Vorzug geben.
Er ist eben echt, dieser Kendrick Lamar. Und wenn er es nicht ist, spielt er den Echten verdammt gut. Das Gerede um seine Person scheint ihn nicht zu stören oder gar abheben zu lassen. Zudem hat er etwas, was anderen Rappern zu oft fehlt: Humor. Den Schelm im Nacken hört man ihm etwa am Ende des damit auf über acht Minuten aufgeblasenen "Untitled 07 | 2014 - 2016" an, das in einen kleinen spontanen Jam ausartet und mit der Zeile "You just make me wanna Drake you down" einen kleinen, aber feinen Diss an den kanadischen Kollegen beinhaltet. Produziert wurde die zweite Hälfte des Tracks zudem vom gerade mal fünfjährigen Spross von Swizz Beatz und Alicia Keys, wie der stolze Vater verlauten ließ. Man will dem Jungen glatt gratulieren: Nicht nur zu seiner guten Arbeit, sondern auch, weil er sich für seinen Start kaum einen besseren Kollaborateur hätte aussuchen können – und wie dem kleinen Egypt steht auch dem längst gekrönten King Kendrick sicher noch einiges bevor.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Untitled 03 I 05.28.2013.
- Untitled 06 I 06.30.2014.
- Untitled 08 I 09.06.2014.
Tracklist
- Untitled 01 I 08.19.2014.
- Untitled 02 I 06.23.2014.
- Untitled 03 I 05.28.2013.
- Untitled 04 I 08.14.2014.
- Untitled 05 I 09.21.2014.
- Untitled 06 I 06.30.2014.
- Untitled 07 I 2014 - 2016
- Untitled 08 I 09.06.2014.
Im Forum kommentieren
captain kidd
2021-12-18 12:36:45
Ich finde Kendrick ja besser, wenn er richtig abgeht. Deswegen bin ich bei Damn und Maad...
The MACHINA of God
2021-12-18 11:26:09
Richtig tolles Ding. Eher 8,5/10. Besser als "DAMN". Der jazzige Einschlag steht ihm sowieso super.
The MACHINA of God
2018-11-05 14:24:30
Tolles Ding. 8/10
The MACHINA of God
2018-07-03 15:50:40
Das war ja nun nicht toternst gemeint. Ich höre natürlich aus jeder Musikrichtung nur "das Gute". Was nichts anderes bedeutet als: dass, was ich perönlich gut finde. Nicht alles überbewerten.
Frägende Ente
2018-07-02 18:40:34
Ernstgemeinte Frage: woher wisst ihr, was das "Gute" in euch sonst nicht so bekannten Musikrichtungen ist?
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