Jamie Lawson - Jamie Lawson

Gingerbread Man / Warner
VÖ: 19.02.2016
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Diese Gefühle könnten verstören

Ein Dinner mit Jamie Lawson würde wie folgt ablaufen: Er streckt die Hand zum Gruß entgegen, um sich dann doch umzuentscheiden und sich ungelenk mit der Flosse durch die Haare zu fahren. Dann bittet er, Platz zu nehmen. Er ordert einen lieblichen Weißwein. Fragt, wie der Tag war, wie es einem ginge, ob man denn hungrig sei und wann der nächste Urlaub wohin anstünde. Geplänkel, höflich und ehrlich gemeint. Lawson bestellt fünf Mal beim Kellner um, weil er sich einfach nicht entscheiden kann. Am Ende ist er verunsichert. Wie verabschieden? Man steht vor ihm, er winkt clownesk mit beiden Händen und stammelt: "Ja, also gut, ich geh dann mal."

Dieser Abend wäre die Szene zu Lawsons selbstbetitelten Album und umschreibt auch die Musik darauf: nett, harmlos, okay. Sie bewegt sich stets auf einer Oberfläche, die nicht weh tut und daher auch schnell vergessen ist. Problematisch wird es, wenn Lawson berühren möchte, wie er es in "Someone for everyone" und "Sometimes it's hard" versucht. Als würde er ausholen, seine Hand vorwarnend ausstrecken, aber die Bewegung nicht vollenden, sondern abrupt abbrechen. Jemanden berühren heißt nämlich ein Risiko eingehen. Aber Lawson scheut auf seinem Album jegliche Risiken. Das ist so verkrampft wie dieses Abendessen.

Vielmehr glättet er Bekannte und Freunde. Mit Damien Rice teilte Lawson mal die Bude. Dem nimmt er das Düstere. In "Let love hold you now" spiegelt er Rices schauderhafte Violinen in fröhlichen Optimismus. Ed Sheeran, unter dessen Schirmherrschaft und auf dessen Label dieses Album erscheint, nimmt er die elektronischen Spielereien. James-Blunt-ähnliche Songs wie "Someone for everyone" werden der piepsigen Stimme beraubt. Ober- und Allerweltsthema ist die Liebe, die Lawson so zerkaut wie ein zähes Stück Fleisch. Die fiktive Liebesgeschichte im Charterfolg "Wasn't expecting that" endet selbstverständlich mit ihrem Tod. Andere würden weinen, wüten, durchdrehen. Lawson speist diese maximale Tragik bloß mit einem verwunderten "Das habe ich nicht erwartet" ab.

Musikerkarrieren kommen selten mit 40 Jahren in Schwung. Lawson scheint es geschafft zu haben. Mit einem Werk, das er selbst eine Kuscheldecke nennt. Das mag stimmen, denn Decken wärmen nicht. Sie speichern allenfalls die Wärme des Umschlungenen. Lawsons Stimme ist diese Decke. Ehrlich, sauber und höflich. Aber darum auch bieder und blutleer. Ist eben nur Stoff. Der Tod der Geliebten oder Phrasen wie "This heart has its crime rate" in "Still yours" benötigen sicher keine Blutorgien – aber irgendetwas muss der Kerl doch dabei fühlen. Auch wenn er nicht davon singt. Vielleicht hat er Angst, es könnte verstören.

(Maximilian Ginter)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The only conclusion
  • Sometimes it's hard

Tracklist

  1. Wasn't expecting that
  2. Someone for everyone
  3. Cold in Ohio
  4. The only conclusion
  5. Still yours
  6. All is beauty
  7. Don't let me let you go
  8. Ahead of myself
  9. In our own worlds
  10. Sometimes it's hard
  11. Let love hold you now
Gesamtspielzeit: 36:33 min

Im Forum kommentieren

musie

2016-06-30 09:13:40

Die Meinung zur Rezi: Der erste Abschnitt ist einer der schlechteren Texte, welche ich hier je gelesen habe. und zum Album: Wasn't expecting that ist halt schon ein Highlight des Albums, auch wenn man es möglicherweise aufgrund des Charterfolgs verteufeln mag. Insgesamt ist das Album aber schon sehr nah am Wasser gebaut. Bei Cold in Ohio dachte ich, es singt Milow...

Armin

2016-02-26 21:56:24

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Annelu

2016-01-15 10:42:12

Nachdem ich wochenlang dachte (freu) " Tracy Chapman mal wieder im Radio!", habe ich nun den Sänger ausgemacht.
Ich hoffe, dass er sich noch vom typischen Epigonen zu einem eigenen Style entwickelt.
Der Song selbst ist mir zu kitschig!

Rote Arme Fraktion

2015-10-17 10:25:49

Kommt eine Rezi?

Rote Arme Fraktion

2015-10-17 10:25:20

Album ist raus. Meiner Freundin zuliebe lasse ich das derzeit über Spotify laufen.

Ganz nett. Für mich etwas zu lieb, zu glattgebügelt, aber durchaus hörbar.

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