Face To Face - Protection

Fat Wreck / Edel
VÖ: 04.03.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Frisch aus dem Sack

Kleines Experiment? Legen Sie diese Platte ein und drücken Sie auf "Play". Schließen Sie nun fest die Augen und konzentrieren sich nur aufs Lauschen. Na, hat der Mittwipp-Reflex im Bein eingesetzt? Und hat Sie die Musik gedanklich sofort in den Sommer des Jahres 1995 verpflanzt? Dann sind Sie leider ein alter Sack! Provokation? Keineswegs. Scott Shiffletts Basslauf im Opener "Bent but not broken" wummert, pluckert und galoppiert einfach so unverkennbar wie zur großen Melodypunk-Zeit. Wie zu den besten Tagen von Face To Face, der kalifornischen Punkrock-Institution. Und auch, wenn die Truppe um Front-Ego Trevor Keith mit "Protection" tatsächlich wieder im guten alten Stall von Fat Wreck Chords gelandet ist – zum ersten Mal seit dem Überalbum "Don't turn away" von 1993 – tönt ihr neuntes Werk tatsächlich ein bisschen, als wären sie die Kapelle, der bald schon der Melodypunk-Hype-Wind um die Ohren pfeifen wird.

Man könnte nun noch etwas faseln von "haben sich auf alte Stärken besonnen". Man könnte die Trademarks dieser großartigen Band aufführen, die natürlich nach wie vor aus der rauchigen Stimme Keiths und meldodischen Punk-Kompositionen zwischen dreckiger Straßenrinne und Hochglanz-Skateboard-Lasur bestehen. Nein, an diesen versuchen sich Face To Face eben schon seit ihrer Reunion im Jahre 2008. Gute Ansätze auf "Laugh now, laugh later" in allen Ehren, doch der sleazige Edel-Punk-Sound, dieses Social-Distortion-Ding vom 2013er-Album "Three chords and a half truth", kickte einen auf Dauer leider nicht. Gerne jedoch honorieren wir, dass es vor allem an drei Dingen liegt, warum "Protection" nun so gut geraten ist: die Produktion von Decendents-Mann Bill Stevenson, die alte, neue Geschwindigkeit – und natürlich an den tollen Songs. Quasi ziemlich perfekt vermengt treffen sich ebenjene Elemente im sehr feinen Titelstück, das mit markanten Tempowechseln und Widerhaken-Chorus aufwartet, um dann gar ein Old-School-Gitarrenriff vom Stapel zu lassen.

"I won't say I'm sorry" und "Say what you want" sind zwei wenig kantige, aber mit typischem Melodypunk-Stakkato vorgetragene Stücke, die auch auf "Big choice", dem ersten Major-Album der Truppe, nicht negativ auffallen würden. Das ruppige "Middling around" schielt gar ein wenig in Richtung der allerersten Face-To-Face-Songs, damals schrammelte man noch auf dem kultigen Label Dr. Strange Records. Dass Keith und Co. auch Midtempo-Hits noch beherrschen, ohne am Thron ihres ewigen Moshpit-Brechers "Disconnected" rütteln zu wollen, zeigen der feine Vorab-Track "Double crossed" und das ohrwurmige "Fourteen fifty-nine". Klar, irgendwo klingt "Protection" auch nach solidem Handwerk, nach all der Erfahrung, die eine Band kurz vor ihrem 25. Wiegenfest eben mitbringt – die durchweg hohe Qualität der neuen Stücke jedoch überrascht. Und wenn alte Säcke dermaßen zu alter Frische finden, sollten auch Grünschnäbel mal lauschen – und ihren Hut ...äh, pardon, die Wollmütze ziehen.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Bent but not broken
  • I won't say I'm sorry
  • Double crossed
  • Protection

Tracklist

  1. Bent but not broken
  2. I won't say I'm sorry
  3. Double crossed
  4. See if I care
  5. Say what you want
  6. Protection
  7. Fourteen fifty-nine
  8. It almost went wrong
  9. Keep your chin up
  10. Middling around
  11. And so it goes
Gesamtspielzeit: 35:14 min

Im Forum kommentieren

fakeboy

2021-03-22 19:11:48

Der Opener ist sowas von grandios. Bin seit Tagen geflasht von der Basslinie. Für mich ist das Album auf dem Niveau von Reactionary, wobei die Produktion (Bill Stevenson sei Dank) noch knackiger ausgefallen ist.

Obrac

2016-03-09 14:39:56

Besser als die letzte, auf jeden Fall.

Obrac

2016-03-02 12:18:31

Da hatte sich tatsächlich mal ne Band aus dem Genre stilistisch weiterentwickelt ;) Es geht mir aber gar nicht um den Stil, sondern um die Qualität, und die war auf der letzten Platte eher dürftig. Ich wundere mich übrigens, dass das im Nachhinein so gesehen wird. Wenn ich mich recht entsinne, stand ich diesbezüglich in dem Thread damals mit meiner Meinung ziemlich alleine da.

eric

2016-03-02 11:35:50

Hm, gerade "Ignorance is bliss" fiel ein bisschen aus dem Rahmen. Ich mag die auch sehr, aber die 'klassischen' Face To Face klingen auf "Don't turn away", "Big choice" oder der "s/t" schon anders. "Protection" ist zumindest stilistisch nicht so weit von den Neunzigern bzw. von "s/t" weg. Hör einfach mal rein, Obrac. :)

Obrac

2016-03-02 10:55:40

Wenn die die Qualität der Selbstbetitelten oder der Ignorance is bliss hätte, wäre es toll. Daran fehlt mir aber doch der Glaube. Kaum eine der alten Melodic-Punkbands kann wirklich noch an die guten Zeiten anknüpfen.

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