Basia Bulat - Good advice

Secret City / Rough Trade
VÖ: 12.02.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Trennwende

Dankbares Publikum trifft auf Charme und Präsenz. Schon im Vorprogramm des Sufjan-Stevens-Konzerts 2015 gab sich das Auditorium mucksmäuschenstill. Man wollte hören, was die Kanadierin Basia Bulat zu sagen und singen hatte. An der Autoharp, am Piano, an der Gitarre. So strahlte nicht nur Bulats gülden glänzender Pailletten-Bolero, sondern auch innerhalb kürzester Zeit der Raum des Essener Colosseums ob ihrer warmen, eindringlichen und dabei voluminösen Stimme. Freilich: Bulat ist keine Unbekannte mehr. Außer mit Stevens trat sie auch – immer gerne erwähnt – bereits mit Arcade Fire, The National, Nick Cave, St. Vincent oder Beirut auf, und nicht zuletzt war ihr drittes Werk "Tall tall shadow" eine so bittersüße wie gelungene Auseinandersetzung mit dem Abschied eines liebgewonnen Menschen.

Auch "Good advice" kümmert sich um das Lebewohl. Genauer gesagt um das Ende einer Beziehung. Ein Trennungsalbum. Gähn? Nö. Denn Bulat zerfließt nicht in Selbstmitleid, was ohnehin schwierig auszumachen wäre, da sie den autobiographischen Anteil ihrer Texte bewusst nebulös lässt. Gemeint ist: Obwohl sie es zweifelsfrei könnte und auch bewiesen hat, wie standhaft sie auf den Pfaden Joni Mitchells unterwegs ist, verzichtet die 31-Jährige auf eine reduzierte, bedrückende Singer-Songwriter-Platte und tanzt stattdessen auf den Trümmern des Vergangenen. Und greift für den Sound in die Schatulle der Sechziger, als Girlgroups über so ziemlich alles von Flirts und Verletzlichkeit über Party bis hin zur Liebe singen konnten, es aber in der Regel immer tanzbar blieb und noch heute ist. Stimmliche Unterstützung erhält Bulat auf "Good advice" allerdings nur in "Let me in" sowie beim phänomenal guten "In the name of", das im dargebotenen Wall-of-sound-Gebilde bestens funktioniert, aber auch in der akustischen Variante mindestens ein ebenso großer Genuss ist.

Normalerweise würde man bei einem Titel wie "La la lie", der beide Partnerparteien der Selbstlüge bezichtigt, direkt die Augen verdrehen. Bulat fügt das aber sehr beiläufig ein, legt keinen Fokus auf die wortspielerische Freiheit in "You la la lie to yourself". En passant windet sich zeitgleich ansatzweise eine Echo-Gitarre empor und runden sakrale Flächen das Bild ab. Orgelklänge und Hammond-Keys der älteren Schule ziehen sich durch das vierte Album der Frau aus Toronto und geben ihm zusätzlich einen Vintage-Anstrich. Aber Bulat und Produzent Jim James (My Morning Jacket) arrangieren die Stücke weit engmaschiger und ja, auch liebevoller, als es im Zuge der unzählbaren Retro-Pop-Veröffentlichungen vor ein paar Jahren der Fall gewesen ist.

Mit "Good advice" öffnet sich Bulat stärker dem Pop, am eindrücklichsten untermauert in der Single "Fool" und dem auch textlich starken "Long goodbye". Ihre Stimme kehrt dagegen zunehmend Soul nach außen, beispielsweise im Bass-geprägten Titeltrack. In der zweiten Hälfte der Platte schwinden die Upbeats, "The garden" mäandert in synthetischen Universen, Bulats Gesang bekommt mehr Raum. Nun ist es so, dass die Kanadierin grundsätzlich jederzeit in der Lage ist, die Tränenkanäle des Hörers zu füllen. Man stelle sich vor, es wäre bei Demoversionen geblieben – Zeilen wie "Tell me again how you love me / Even the days when you doubt it" oder "Stop wasting time and pretend that love is somewhere else" aus der Trennungsnummer "Infamous" formten einen Kloß im Hals. Da kann ein rhythmischer Schlag auf die Trommel oder ein Schellenkranz-Clap schon mal den Defibrillator ersetzen.

(Stephan Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • La la lie
  • Long goodbye
  • In the name of
  • Infamous

Tracklist

  1. La la lie
  2. Long goodbye
  3. Let me in
  4. In the name of
  5. Time
  6. Good advice
  7. Infamous
  8. Fool
  9. The garden
  10. Someday soon
Gesamtspielzeit: 36:04 min

Im Forum kommentieren

MM13

2016-04-04 20:53:28

ich finde gerade die eher ruhigen sachen recht gut,wenn sie dann fast schon ins melancholische abdriftet.auf jeden fall bisschen anders wie der sonstige einheitsbrei.
7/10

Herder

2016-04-01 23:02:07

Ich hab' sie ja im Vorprogramm von Sufjan Stevens gesehen und fand die Musik da schon ziemlich langweilig. Auf Platte wird es für mich auch nicht besser. Ist wohl einfach nicht meins.

Mixtape

2016-03-06 10:24:11

Schönes Album. Ich mag den Sound von den Supremes und Ronettes eh sehr gerne und bekommen Bulat und Jim James hier sehr gut hin. Mit den ruhigen Songs in der zweiten Hälfte lässt das Album etwas nach, dennoch reicht es für eine 7/10.

MasterOfDisaster69

2016-02-22 15:47:44

Gähn? Ja!

Armin

2016-02-18 22:52:46

Frisch rezensiert!

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