Mass Gothic - Mass Gothic

Sub Pop / Cargo
VÖ: 05.02.2016
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Der Freischwimmer

"Mass Gothic", das Debüt von – nun ja – Mass Gothic, ist sicherlich kein Album für schwarze Messen, den Leibhaftigen kann man sich damit aber trotzdem prima eintreiben. Noel Heroux, der federführende Geist hinter dem Projekt, ist kein gänzlich Unbekannter: Mit seiner 2014 aufgelösten Band Hooray For Earth spielte er solange spannenden Indiepop, bis sein Kopf letztendlich platzte und er die Gruppe auflösen musste. Mass Gothic soll nun ein druck- und angstfreies Ventil für den sensiblen Künstler sein, mit dem er seine Ideen und Visionen ungefiltert in stürmischen Lo-Fi-Pop übersetzen kann. Wie hervorragend dieser Therapieansatz funktioniert, beweisen die zehn neuen Songs, die kompromisslos und selbstbewusst Melodie und Krach verbinden. Dass Mass Gothic mit diesem tollen Album nun bei Sub Pop gelandet sind, dürfte also kaum jemanden überraschen.

Mit "Mind is probably" beginnt die Platte defätistisch und doch so schön wie bislang kaum eine andere im Kalenderjahr 2016: "So I made a mistake / How many hours can I spend / Silently in one room?" fragt Heroux, während sich im Hintergrund eine Synthie-Fläche ausbreitet wie bedrohlicher Nebel im Wonnemonat November. Später setzen Gitarren und Drums ein, die Nummer schwillt an, plustert sich auf, gewinnt mit zunehmender Dauer an Selbstvertrauen und Durchschlagskraft und implodiert schließlich im repetitiven Krach. Immer wieder kann man auf "Mass Gothic" den Kampf zwischen Lärm und Schönklang bestaunen, der viel weniger Kampf ist als ein leidenschaftliches Rangeln um die Vorherrschaft in den Songs. Wer am Ende die Oberhand behält? Das müssen Sie schon selber herausfinden.

"Want to, bad" ist ein dramatischer Disco-Stampfer, der sich mit den Glitzerresten von Arcade Fires "Reflektor" aufhübscht und anschließend durch die New Yorker Nacht taumelt, durch den peitschenden Regen, vorbei an schwarzen Katzen mit bedrohlich funkelnden Augen und all den Patrick Batemans, die da draußen frei herumlaufen. Mit "Pier pressure" folgt anschließend stoischer Synth-Pop, leicht melancholisch, verträumt, ein wenig psychedelisch: "I wait in the ocean, dissolving." "Nice night" setzt dagegen mit klarer Kante auf herrlich noisige Gitarren, geht einen Flirt mit schmuddeligem Grunge ein, lässt seine himmlische Melodie mit düsteren Gedanken kollidieren und ist am Ende wohl der aufregendste Song in diesen ohnehin sehr aufregenden 39 Minuten.

Die zweite Albumhälfte zeigt dann etwas weniger Sturm und Drang, doch zu diesem Zeitpunkt ist man "Mass Gothic" ohnehin schon verfallen: Während "Every night you've got to save me" noch dazu animiert, die Tanzschuhe zu schnüren, erinnert "Money counter" an die kaugummisüchtigen Cousins von Unknown Mortal Orchestra. Herrlich zu hören, mit welcher Konsequenz Mass Gothic durch die Stile irren, ohne beliebig zu werden. Mit jedem Hördurchgang sind andere Details zu entdecken, kleine Raffinessen, immer wieder werfen neue Referenzen ihren Scherenschnitt auf die Leinwand. Und doch manifestiert sich vor allem die Handschrift von Heroux, der sich mit diesem Album auf bewundernswerte Weise freischwimmt. Darauf ein beseeltes Hurra!

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Mind is probably
  • Want to, bad
  • Nice night

Tracklist

  1. Mind is probably
  2. Own the road
  3. Want to, bad
  4. Pier pressure
  5. Nice night
  6. Every night you've got to save me
  7. Money counter
  8. Territory
  9. Soul
  10. Subway phone
Gesamtspielzeit: 39:23 min

Im Forum kommentieren

visionsofjohanna

2016-02-24 21:47:33

Ich finde das Album hat einige ziemlich schwache Momente. "Want to, bad" finde ich sehr grausam und mit Arcarde Fire hat das für mich nicht viel zu tun - eher Alexander Markus...
"Nice Night" ist aber wirklich sehr toll.

Nörgler

2016-02-09 11:55:57

Ist mir ein bißchen zu hochgejubelt hier. 6/10 hätten es auch getan, ist ein oprdentlciehs album

cargo

2016-02-04 18:23:18

Sehr tolles Album. Irgendwo zwischen allen Stühlen und das macht es auch so besonders.

etceteranough

2016-02-03 21:54:24

Sehr gute, appetitanregende Rezension! Ich fand schon Hooray For Earth großartig und bin mir sicher, dass der Titel „Album der Woche“ für die neue Platte mehr als gerechtfertigt sein wird. Hoffentlich kommen die mal her für ein paar Konzerte.

Armin

2016-02-03 21:54:11

Frisch rezensiert!

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