
X Ambassadors - VHS
KIDinaKORNER / Interscope / UniversalVÖ: 05.02.2016
So wild wie Bärlauch
Das wirklich gute Leben erwartet diese, die abtrünnig werden. Die wandern, surfen, auf einer Hängematte baumeln, ja verwildern, um der Großstadthektik zu entkommen. Weil der menschliche Ursprung in der Natur liegt. Die mit einem Mini-SUV erreichbar wird. Das erzählt der Werbeclip zum Jeep Renegade, umgarnt vom Song "Renegades", mit dem der Aufstieg von X Ambassadors aus Brooklyn begann. Sänger Sam Harris posaunt in diesem die simple Lebensattitüde seiner Medienpartner heraus: "And I said hey / Hey, hey, hey / Living like we're renegades." Die Karriere seiner Band lässt sich anhand von weiteren Werbevideos nacherzählen, die auch die Musik beschreiben: Clips für Kopfhörer zur Fußballweltmeisterschaft mit der Single "Jungle", weitere für mehrere Videospiele, Begleitmusik fürs Wrestling und anderen Sport. Wild, rustikal und rebellisch soll das sein.
Dabei widmet sich X Ambassadors' Debüt der veralteten Videokassette. Ihr Retro-Konzeptalbum ist voll von Audioschnipseln aus dem Familienarchiv, die das Werk strukturieren (sollen). "Y2K time capsule" ist das erste von sechs weiteren, in dem man zuhören kann, wie die Band im Jahr 2000 darüber sinniert, 2015 an einem anderen Ort zu sein. So charmant diese Idee auch ist, so deplatziert wirken diese Einspieler. Sie sind irritierendes Geschwätz, haben keine Story, sondern blasen das Album nur unnötig auf. Ihr eigentliches Konzept erklären X Ambassadors hingegen in Interviews mit "to go big", was überhaupt nicht verwerflich ist. Im lärmenden Song "B.I.G." wird dies hingegen eher hohl paraphrasiert: "I'm gonna go big! I feel bigger than ever before!"
Dazu ein beinahe kriminell von Imagine Dragons abgekupferter Sound, die das wohl nur abgenickt haben, weil sie auf "Fear" mitwirken: Weiche, anschwellende Gitarrenmelodien, die mit etwas Keyboard angereichert schließlich im Bombast enden. Auch muskulöse Coldplay mit Spannungsmomenten aus Schablonen kommen dem Hörer in den Sinn: Die Refrains drängen sich förmlich auf und sollen zum Mitsingen ködern. Nur sind die Melodien dafür zu schwach – wie auch die Lyrics. Eine kurze Auflistung: "You're so gorgeous 'cause you make me feel gorgeous" oder "I can't give you love 'cause I'm loveless" oder "It's a bird, it's a plane / Clark Kent, Bruce Wayne / I got that, I got that, I got that superpower". Reicht, oder?
"Unsteady" ist harmloser Pop-Soul, in dem die gereimten Ausfälle immerhin zu verschmerzen sind. Die zweite Albumhälfte leitet "Low life" ein, Jamie N Commons grölt kantig dazu. Es sind diese Larger-than-life-Momente, die X Ambassadors auffliegen lassen. Denn sie sind porös, instabil und implodieren schließlich. Ebensowenig dienlich ist die Überproduktion mit den chronisch übersteuerten Spuren, was den ganzen Klang artifiziell macht. Der Audioschnipsel "VHS outro" schließt mit beliebigen Soundbytes ab, anderthalb Minuten ohne Kontext, keiner Bedeutung, null Idee oder gutem Grund. Die Knute, mit der X Ambassadors durch dieses Album wildern, ist entweder früh gerissen oder eigentlich aus Bärlauch.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Unsteady
Tracklist
- Y2K time capsule
- Renegades
- Moving day (Interlude)
- Unsteady
- Hang on
- Gorgeous
- First show (Interlude)
- Fear (featuring Imagine Dragons)
- Smoke (Interlude)
- Nervous
- Low life (featuring Jamie N Commons)
- Adam & Noah's priorities (Interlude)
- B.I.G.
- Feather
- Superpower
- Loveless
- Jungle (featuring Jamie N Commons)
- Good news on the remix (Interlude)
- Naked
- VHS outro
Im Forum kommentieren
Mr. Rail
2016-02-10 15:59:02
Live sind die der Wahnsinn!
triple_chris
2016-02-09 11:19:32
Die audio schnipsel versteh ich auch nicht. Kein sinn, oder roter faden erkennbar.
Renegades und Unsteady sind dennoch hörenswert, ebenso Low Life.
XTRMNTR
2016-02-07 00:32:41
"Renegades" klingt wie der kommende ZDF EM-Hit.
Pepe
2016-02-03 22:03:19
Ja, die Platte ist Käse, aber "Renegades" geht mir trotzdem ins Ohr.
Armin
2016-02-03 21:58:52
Frisch rezensiert!
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