GWLT - Stein & Eisen
Arising Empire / Nuclear Blast / WarnerVÖ: 29.01.2016
Gwltgr Hpe?
Ach, wie war das schön, als am 16. Januar 2016 in großen Kinolettern "Plattentests.de Fest 16" am Eingang des Strom in München stand. Die weiße Wand des Klubs verschwamm im wirren Blick der Vorfreude mit dem fallenden Schnee, doch sobald alle drin waren, brachten The Dope, Craig B und schließlich There Will Be Fireworks den Laden dermaßen zum Kochen, dass die Eiseskälte draußen nicht nur für Raucher ein willkommener Treffpunkt war, um sich über die Ereignisse des Abends und allerlei andere Anekdoten bierselig auszutauschen. Vielen Pendlern ist es aufgefallen, das Plakat von GWLT im Eingangsbereich, die nur vierzehn Tage nach diesem Freudenfest im Strom auftreten sollten. "Wenn ein Auftritt in dieser Stätte nicht mal für Qualität steht", haben sich höchstwahrscheinlich so einige gedacht, die von Tomtes "Schreit den Namen meiner Mutter" zu "There is a light that never goes out" der Smiths bis zum letzten Song, "Whatever" von Oasis, gegen 5 Uhr die Tanzfläche zum Beben brachten. Ein paar unserer gewohnt kundigen Partygäste konnten mit Sicherheit auch schon so einiges über GWLT zum Besten geben, hatten beispielsweise schon von ihrer EP-Trilogie gehört oder diverse andere Stimmen vernommen, welche die Band in Metal- und Hardcorekreisen wahlweise als nächstes großes Ding oder völlig überbewertet einstufen. Mit "Stein & Eisen" treten nun auch wir von Plattentests.de wieder rundum auskuriert von der Jahresfeier offiziell in den Diskurs ein.
Gerade der wuchtige Crossover-Sound der Mannen um David Mayonga hat GWLT jede Menge Vorschusslorbeeren eingehandelt. Rap-Passagen gehen nahtlos in Hardcore-Schreie über und werden von schweren Metalriffs unterlegt. Was auf dem Papier aussieht wie die Erwärmung von Alien Ant Farm, Papa Roach und weiteren 90er-Crossover-Konsorten auf der zweitniedrigsten Wattstufe der Mikrowelle, klingt tatsächlich relativ frisch. Neben vereinzelten Punk-Elementen ist dies vor allem dem hörbaren Herzblut und Mayongas kräftiger Stimme zu verdanken. Paradebeispiel für die zielsichere Gratwanderung zwischen den verschiedenen Genres ist "Der beste Mensch", das zwar inhaltlich nicht viel hergibt, dafür aber jede Menge Laune verbreitet und geballte Fäuste in die Luft schnellen lässt. Dieses Gefühl wird mit Sicherheit noch einige Scharen bei "Seltsame Liebe", das Ohrwurmqualitäten mit rauer Energie kombiniert, überkommen.
Als Triebfeder menschlichen Aufbegehrens haben die Bayern Wut, Angst und Gewalt ausgemacht, und so drehen sich die Texte, im Englischen würde man sie mit "heart on the sleeves" etikettieren, des von den Tracks "Stein" und "Eisen" umarmten Albums um eben jene Themen, nur ohne jegliche sonstige greifbare Motivation für einen Aufstand zu geben. Daher verliert sich der durchaus druckvolle Einstieg mit starken Zeilen wie "Lasst uns kämpfen, um zu spüren / Wie es ist, wenn es um was geht / Lasst uns verlieren / Damit sich keiner in den Triumph verliebt / Lasst was kreieren, was nur uns was gibt" schließlich irgendwo im luftleeren Raum der Abstraktion. "Die Grundmauern der Furcht" oder "Hannah Arendt" lassen sich immer noch sehr gut mitgrölen, aber gerade Letzteres verdeutlicht die Beliebigkeit, die Einzug hält, wenn es im Text eigentlich nur darum geht, sich für etwas einzusetzen und der Track demnach neben Mahatma Gandhi noch locker hunderte andere Namen tragen könnte.
Dass die Jungs jeden kreativen Prozess wie Stricken dem Sport oder Videospielen, bei denen man angeblich seine Energie verschwende, vorziehen würden, kann man im Interview ja durchaus als nette Schrulligkeit abtun, ist aber im Zusammenspiel mit den halbgaren subversiven Versatzstücken symptomatisch. Das mindert den Spaß an "Stein & Eisen" ebenso wie die bis auf wenige Stellen, etwa der reine Rap-Track "Bis Dein Lebenslicht erlischt" oder die misslungen-weinerliche Power-Ballade "Von der Dunkelheit und ihrer Anziehungskraft", variationsarme Soundkulisse. GWLT bereits in die Sphären von Craig B, The Dope, There Will Be Fireworks oder der von den Kollegen Linder, Pilgrim und Bremmer aus der Chefetage aufgelegten Größen zu loben, muss auch den härtesten Verfechtern des deutschen Metal- und Hardcorelagers auf dem Plattentests.de-Fest 16 zu viel vorgekommen sein. Die Debatte um diesen durchaus polarisierenden Crossover-Act ist allerdings mit Sicherheit noch lange nicht beendet, egal, ob sie in einem Jahr wieder bierselig in der Kälte vor einem Klub hervorgekramt oder beim nächsten Album offiziell neu aufgerollt wird.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Seltsame Liebe
Tracklist
- Stein
- Ruhe & Frieden
- Seltsame Liebe
- Die Grundmauern der Furcht
- Eine Taufe aus dem Staub
- Bis Dein Lebenslicht erlischt
- Von der Dunkelheit und ihrer Anziehungskraft
- Watts 1965
- Der beste Mensch
- Randale
- Hannah Arendt
- Zeichen an der Wand
- Eisen
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Flami
2016-02-04 15:46:47
Ich verfolge GWLT bereits seit der ersten EP "Ohne Anfang, Ohne Ende". Die drei EPs setzten damals schon deutliche Duftmarken.
Das Album "Stein & Eisen" stellt für mich eine deutliche Steigerung dar, sowohl textlich als auch musikalisch.
Was jetzt an der Scheibe so polarisieren soll, kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Es sei denn, man konnte noch nie etwas mit dieser Art von Musik anfangen.
Als alter Such A Surge Fan, begrüße ich die Rückkehr von deutschsprachigem Crossover Sound allerdings sehr. Mir hat sowas gefehlt. Klar, es gab immer mal wieder Versuche wie z.B. "Drinne" von B-Tight. Denen fehlte aber, bei aller Professionalität, leider der politisch-gesellschaftskritische Ansatz.
Wer Such A Surge mochte, dürfte GWLT lieben.
Und wer GWLT mag, sollte unbedingt mal in "Kopf.Stein.Pflaster" von Tamas reinhören...
Eine GWLT/Tamas Package Tour dürfte die Clubs in Deutschland in Schutt und Asche legen...
Armin
2016-02-03 21:56:44
Frisch rezensiert!
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