Chairlift - Moth

Columbia / Sony
VÖ: 22.01.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Nach der Ohrwurmkur

"I tried to do handstands for you", das ist sie. Die eine Zeile, die jeder kennt, der sich auch nur mal ansatzweise mit dem mittlerweile in Brooklyn wohnhaften Duo von Chairlift, ursprünglich aus Colorado, beschäftigt hat. "Bruises", jener Überhit von ihrem Debütalbum "Does you inspire you", der auch in einer iPod-Nano-Werbung für die Hintergrundbeschallung sorgte, ist für die Band wohl Fluch und Segen zugleich. Ein zumindest ähnlich großer Streich ist Caroline Polachek und Patrick Wimberly seitdem nicht mehr gelungen, obwohl sie wahrlich viel ausprobiert haben, seitdem das einstige dritte Mitglied Aaron Pfenning ausgestiegen ist. Auch "Moth", das dritte Werk von Chairlift, ist stets auf der Suche nach dem vemeintlich verloren gegangenen Ohrwurm-Rezept.

Fast genau vier Jahre nach ihrem Zweitling "Something" beegnet dem Hörer also "Moth", eine Metapher für die Zerbrechlichkeit des Lebens und die scheinbar an jeder Ecke wartenden Risiken: Die Raupe hat sich nicht zu einem schönen Schmetterling entwickelt, sondern zu einer schnöden braunen Motte, die zwar immer das Licht sucht, dann aber doch ihr Ende an einer kargen Wand findet – oder an einer Fliegenklatsche. Ein derart grausames Schicksal erwartet Chairlift hier natürlich nicht: Zwar schüttet Polachek in "Moth to the flame" gegenüber ihrer Mama ihr Herz aus ob des blöden Typen, der sich genau darin etwas zu hartnäckig eingenistet hat, sorgt aber gleichzeitig für einen hüftwackelnden Disco-Stampfer. Noch gelungener ist der Electro-Soul von "Polymorphing", in dem die Sängerin zwischen Verführung und Unschuld wandelt, während im Hintergrund eine kleine Bläsereinheit für angemessenes Lounge-Feeling sorgt.

Aber Chairlift geht es nicht um reine Bequemlichkeit: "Unfinished business" mit seiner verrückt gewordenen Drum-Machine zieht es weder auf die Tanzfläche noch nach draußen, sondern nur ins heimische Bett: "But for now / Don't wait for me." Fast noch düsterer geht es zu in "Crying in public" mitsamt einer Berg- und Talfahrt für Polacheks Gesang, die hier vor lauter Verzweiflung für eine Eifersuchtsszene im Zug sorgt, während an den Fenstern der New Yorker Alltag vorbeizieht, wohingegen der vollkommen durch den Musikwolf gezogene Abschlusstrack "No such thing as illusion" deutlich macht, dass es diesen Alltag gar nicht gibt. Alles unterscheidet sich vom Vortag, die äußeren Einflüsse ändern sich konstant, und Chairlift lassen sich hier über sechs Minuten von Pop, Electro, Soul und kleinen Soundfragmenten tragen, wohin auch immer es gehen soll. Es zeigt die Experimentierfreude der Band, die die ganze Zeit auf der Suche nach einem noch helleren Licht zu sein schien und auf "Moth" endlich einfach auf eines zufliegt. Da hat die schnellste Klatsche keine Chance mehr.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Polymorphing
  • Crying in public
  • Moth to the flame

Tracklist

  1. Look up
  2. Polymorphing
  3. Romeo
  4. Ch-ching
  5. Crying in public
  6. Ottawa to Osaka
  7. Moth to the flame
  8. Show u off
  9. Unfinished business
  10. No such thing as illusion
Gesamtspielzeit: 40:48 min

Im Forum kommentieren

saihttam

2016-12-17 03:16:30

Schade! Hab die Band gemocht.

Jennifer

2016-12-16 23:09:00

Chairlift Break Up

Mixtape

2016-11-26 12:28:09

Spät im Jahr noch durch Patricks Beteiligung an der Solange-Platte drauf gestoßen. Ich hatte die Band nach dem netten Debüt aus den Augen verloren und bin umso angetaner von ihrer Entwicklung. Das passt wirklich sehr gut zur Clique mit Dev Hynes, Dave Longstreth, Adam Bainbridge und eben Solange, mit denen die beiden ja viel machen.

Mainstream

2016-03-17 16:16:41

Tolles Album, nur paar nach unten abhängende Tracks ruinieren die Laune, wie Ottawa to Osaka.

saihttam

2016-02-14 13:04:57

Ich sehe es eigentlich genauso wie Leatherface. Für ganz oben fehlt dem Album einfach noch ein bisschen was, vielleicht ein, zwei Hits mehr oder so. Aber insgesamt macht das schon trotzdem sehr viel Freude. Die ersten fünf Songs sind klasse, wobei Look Up gerne zu einem richtigen Song ausgebaut sein könnte. Show U Off ist auch noch toll, der Rest knapp dahinter.

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