Nevermen - Nevermen
Rykodisc / WarnerVÖ: 29.01.2016
Drunter, drüber und drauf
Wenn's mal wieder etwas länger dauert: Bereits 2008 begannen Tunde Adebimpe von TV On The Radio und Anticon-Labelmitbegründer Adam Drucker alias Doseone, gemeinsam an Songs zu schrauben. Dass am Ende ein Album herauskommen würde, dessen Fertigstellung satte acht Jahre in Anspruch nimmt und an dem sogar Faith-No-More-Tausendsassa Mike Patton mitwirkt, hätten sich beide seinerzeit wahrscheinlich nicht träumen lassen. Dieses Supergroup-Debüt ist also alles andere als überhastet entstanden – im Gegenteil wird es einige Mühe gekostet haben, die aus aller Herren Stile zusammengeklaubten Versatzstücke so zu kanalisieren, anzuordnen und zuzunähen, dass das Ganze nicht zu sehr nach musikalischem Trümmerbruch im Osttimor-Exil klingt. Mit blauen Flecken ist aber trotzdem zu rechnen – es geht über Stock und Stein.
Auf "Nevermen" passiert nämlich nicht nur viel, sondern auch vieles gleichzeitig: In knappen 40 Minuten drängeln sich auf engstem Raum aufgepumpte HipHop-Grooves, Handclaps als elektrifiziertes Metronom, Gospel und Soul nahestehende Gesangssätze, statisch aufgeladene Indie-Rock-Breitseiten sowie die Acapella-Beschwörungen und Doo-Wop-Elemente, die auch bei TV On The Radio immer wieder aufblitzen. Und so wird jeder, der den vorzüglichen Algiers-Erstling bereits für ein waghalsiges Unterfangen hielt, an diesen zehn Songs erst recht zu knabbern haben. Ein Vergleich, der jedoch ohnehin etwas hinkt, da hier kein pastoraler Alleinherrscher wie Franklin James Fisher zürnend über den Stücken thront, sondern jeder etwas zu singen, zu skandieren oder auch heruntergepitcht zu keuchen hat. (Stimm-)Verwirrung deluxe.
Dass das planvolle Durcheinander noch am ehesten an Adebimpes Hauptband denken lässt, ist nicht zuletzt dessen heiserem Bariton zu verdanken – mit etwas Fantasie könnte der Stakkato-Rocker "Wrong animal right trap" auch als verspielte Variation des dröhnenden Clubhits "Wolf like me" durchgehen, während "Non Babylon" ähnliche synthetische Bläser-Shots wie "Caffeinated consciousness" von "Nine types of light" auffährt. Patton staunt derweil nicht schlecht: An einem so eklektischen, in alle erdenklichen Richtungen wuchernden Ding war er vermutlich seit seinem Allstar-Projekt Peeping Tom nicht mehr beteiligt. Und bringt mehrfach eine giftige Gitarre in Stellung, die lärmend in den schwerzüngigen Rap-Battle "Dark ear" oder in das trügerische Ungetüm "Hate on" einfällt und die schwer atmende Electro-Hop-Mutation mutwillig niedermäht.
Das Stresslevel bleibt hoch: Songs legen mittendrin den Rückwärtsgang ein, laufen verhallend ins Leere, nehmen dann wieder Fahrt auf – oft dauert das Auf und Ab nicht einmal drei Minuten. Etwa bei der Single "Mr. Mistake", die man dank unbeschwertem Ethno-Pop im Allerwertesten und luftigem Akustik-Outro fast schon als Friedensangebot inmitten der widerborstigen Veranstaltung werten muss. Weitaus mehr Betrieb veranstalten die verschwitzt beatboxende Provinz-Betrachtung "Tough towns" und das von Tempowechseln gebeutelte "At your service", das Rap-Salven wie aus dem Maschinengewehr abfeuert. Zwei der stärksten Augenblicke eines Albums, das den Hörer zuweilen zu überfordern droht – doch bei einem "leaderless trio" wie diesem muss es wohl manchmal drunter und drüber gehen. Vielleicht sprechen wir uns ja in acht Jahren wieder?
Highlights & Tracklist
Highlights
- Tough towns
- Hate on
- At your service
Tracklist
- Dark ear
- Treat em right
- Wrong animal right trap
- Tough towns
- Hate on
- Mr. Mistake
- Shellshot
- At your service
- Non Babylon
- Fame II the wreckoning
Im Forum kommentieren
Mixtape
2016-02-07 15:48:47
Das hat der Chef sich nicht nehmen lassen, sich persönlich darum zu kümmern, soweit ich weiß.
Tim.
2016-02-07 15:28:43
hier stand seit drei monaten ein beitrag von mir drin - wer hat sich bemüßigt gefühlt den jetzt zu löschen? und warum?
Mixtape
2016-02-07 14:56:44
Mir gefällt das Album auch sehr gut. Ja, etwas unausgereift, etwas kurz auch, aber alle drei kommen gut zu Geltung.
jerry garcia
2016-01-29 18:24:07
Nach dem ersten Durchlauf, hört sich die Platte wie eine härtere Version von TV on the Radio an. Liegt wohl an der Stimme...
Gute Faith No More Gesangseinlage von Patton auf Seite B...
Alles in allem: Ich glaube das Teil wächst noch...
Watchful_Eye
2016-01-29 10:45:15
Ich finds super. Die Songs wirken ein bisschen unausgereift, aber das macht fast nichts. Die drei haben einen Sound produziert, auf den ich einfach Bock habe. Schön auch, dass Adepimpe seit langem wieder mal an etwas beteiligt ist, was eher rauh und schrumpelig klingt. Ich verstehe aber, dass das nicht jedermanns Sache ist.
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- Nevermen - Nevermen (11 Beiträge / Letzter am 07.02.2016 - 15:48 Uhr)