Money - Suicide songs
Bella Union / [PIAS] Cooperative / Rough TradeVÖ: 29.01.2016
Kohle, Kummer und Krisen
Fast wäre gute Stimmung aufgekommen. Weihnachten ist vorbei, die Feiertage sind gut überstanden und der Silvesterabend, an dem man der Zukunft entgegen fiebert, gehört längst der Vergangenheit an. Da kann man den Januar doch entspannt angehen und noch ein wenig das Nachglühen der besinnlichen Zeit genießen, bevor der Alltag einen endgültig wieder einholt – oder? Mitnichten. Die Band Money aus Manchester hat andere Pläne. Deren zweites Album mit dem bedrohlichen Titel "Suicide songs" holt jeden – noch bevor man die ersten Rechnungen des Jahres aus dem Briefkasten gefischt hat – zurück auf den Boden der Tatsachen und erinnert pünktlich zur Jahreszeit an den Winterblues. Draußen ist es kalt, grau und nass. Kein Nachglühen gibt es hier, einzig verbleiben Dunkelheit, Kohlestücke und Asche. Und ein wenig Rauch.
Schon Moneys Debüt von 2013, das gespenstisch-schöne "The shadow of Heaven", verbrüderte sich mit der kleinen Kummer-Figur aus dem Pixar-Film "Alles steht Kopf" und sorgte für Staus in den Tränendrüsen. Mit "Suicide songs" verhält es sich ähnlich, wie bereits die erste Single "You look like a sad painting on both sides of the sky" ankündigte. Die erinnert stellenweise an den Titelsong von Elvis Perkins' Trauer-Werk "Ash Wednesday", wenngleich es sicher nicht den gleichen tragischen Hintergrund hat. Dennoch fleht sich Sänger Jamie Lees Stimme mit geradezu idyllischer instrumenteller Untermalung tief ins Herz, bis es schmerzt. Regelrecht morbide wird es im abgespeckten "Suicide song", das einen brutalen Einblick ins mental angeschlagene Seelenleben Lees bietet.
"I am the Lord", mit knapp sechseinhalb Minuten Spielzeit ein Opener der längeren Art, sorgt zwar für einen durchaus epischen Einstieg, distanziert sich gleichzeitig aber auch: "You are not the same as me / I'm up there in the clouds", singt Lee hier nicht ohne Wehmut und vergleicht sich mit dem großen Weißbärtigen im Himmel, der von Albträumen geplagt wird und sich von seiner Umwelt isoliert, weil er niemanden zum Reden hat. "Night came" übertrifft das sogar noch längenmäßig und baut sich über einen scheinbar ewig andauernden Zeitraum auf, um schließlich auf dramatischste Art zu explodieren und alles mit sich zu reißen. Da kommt ein Stück wie das feierliche "I'll be the night" gerade recht, dass den dicken Mantel der Depression zumindest versucht abzulegen und sich hoffnungsvoll zeigt. Zum Schluss schauen Money aber dennoch zurück in der Zeit: Die Piano-Ballade "A cocaine Christmas and an alcoholic's New Year" bekommt nicht nur dank Lees lallendem Gesang ein authentisches Gewand verpasst, sondern auch durch seine zwischen Verzweiflung und Verklärung wandelnde Stimmung – und ist damit für viele wohl weitaus näher dran an einem normalen Weihnachtsfest als man gut einen Monat später noch wirklich wahrhaben will.
Highlights & Tracklist
Highlights
- I am the Lord
- Night came
- I'll be the night
Tracklist
- I am the Lord
- I'm not here
- You look like a sad painting on both sides of the sky
- Night came
- Suicide song
- Hopeless world
- I'll be the night
- All my life
- A cocaine Christmas and an alcoholic's New Year
Im Forum kommentieren
saihttam
2021-05-25 00:06:10
Oh, vielen Dank, dass du an mich denkst. Werde mal reinhören. :)
NOK
2021-05-24 21:21:20
Falls saihttam oder sonst jemand das zufällig sieht, hier Neuigkeiten:
Charlie Coxedge, der vermutlich für den Sound hauptverantwortliche ehemalige Gitarrist von Money, veröffentlicht immer wieder so teils sehr reizende, epische, pittoreske Gitarrendrones, für eine diesjährige Split-EP siehe etwa hier:
https://thisisitforever.bandcamp.com/album/an-tiaracht-who-is-to-say
Und Jamie Lee, nun...
https://www.facebook.com/jamiekraken.lee/posts/10159869452023338
saihttam
2019-07-28 18:03:57
Oh, das wäre ja wirklich sehr schade! Danke für die Info.
NOK
2019-07-28 15:20:13
Absolut korrekt, saihttam, die waren fantastisch, und "The Shadow of Heaven" tatsächlich noch etwas mehr als der Nachfolger, finde ich! Es scheint sie nur leider nicht mehr zu geben, wenn man nach den Hinweisen geht, die Jamie Lee über die Jahre gestreut hat - der scheint sich jetzt künstlerisch darauf zu beschränken, Gedichte zu schreiben und vorzutragen.
Von Charlie Coxedge, dem Gitarristen, gab es zwar noch eine instrumentale Soloplatte namens "Cloisters" bei Bella Union, die auch durchaus durchblicken ließ, dass hauptsächlich er für diesen hübschen Sound verantwortlich war, aber das ist halt wieder eine ganz andere Geschichte als die Money-Sachen.
Auf jeden Fall ist es schade um sie - ich hätte u.a. diesen Song hier sehr, sehr gern in Studioqualität gehört: https://www.youtube.com/watch?v=oqTMGy18Co8
saihttam
2019-07-28 14:58:14
Gerade von Night Came weggeblasen worden. Schade, dass diese Band nicht mehr Aufmerksamkeit bekommt.
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