Fehlfarben - Knietief im Dispo

!K7 / Zomba
VÖ: 28.10.2002
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

K.O.O.K.

"Die Plakate am Zaun sagen, die Zeit bleibt stehn / Die Mahnungen zu Hause das Gegenteil." Das kommt davon, wenn man seine Jugend verschwendet hat. Aber es ist ja nicht so, daß außer der alltäglichen Finanzmisere und grassierender Midlife-Crisis nichts von den Fehlfarben geblieben wäre. Gleich ihre erste Platte, das famose "Monarchie und Alltag", ist auch heute noch, zweiundzwanzig Jahre nach seiner Veröffentlichung, ein aufrührendes Zeichen gegen die Belanglosigkeit. Und doch brauchte es ein gewisses Buch von Jürgen Teipel, damit sich die Feuilletons deutschlandweit gegenseitig mit Reminiszenzen an die Jahre des Betons überbieten.

Das ging auch an Peter Hein nicht spurlos vorüber. Die immer noch zornige Stimme der Düsseldorfer, die sich zum zweiten Mal seit seinem unvermuteten Ausstieg Anfang der Achtziger mit ihm für eine Neuauflage zusammengefunden haben, nimmt den jüngsten Literatur-Hype in "Das Leben zum Buch" aufs Korn. "Ich brauch nicht mehr zu wissen, wer ich bin / Es steht doch sowieso alles irgendwo drin." Noch immer setzt er die Erfahrungen mit seiner Umwelt mit einer ohrenfeigenartigen Direktheit in Worte um. "Musik will niemand hören, nur noch sehn" wird gelästert. Doch Hein ist kein Zyniker, er hat lediglich Erfahrung.

Seine Betrachtungen zielen wie gewohnt vor allem auf den Alltag. Zum manchmal elektronisierten, manchmal keifenden, manchmal dezent stadionverrockten Postpunk-Update seiner Kollegen rezitiert und zetert Hein seine Parolen, die mehr Schatten als Licht auf das Leben des kleinen Mannes werfen. Er schlüpft dazu gerne einmal in die Rolle des Arschlochs aus Überzeugung. "Mist, am Morgen ist sie noch da / Tote Socke im Mund oder ein Schamhaar / Er hat sich gerührt, viel war es nicht." Ein Gentleman, der genießt und schweigt, war Hein noch nie. Im Gegenteil: "Und weil man sagt, was man sich vorstellen könnt / Wird man dafür schon wieder gehängt?"

Von den Neuzugängen Kurt "Pyrolator" Dahlke an den Schaltkreisen und Saskia von Klitzing am Schlagwerk unterstützt, halten sich die Fehlfarben meist im Hintergrund. Nüchterne Akzente werden gesetzt, auf verspielte Verzierungen verzichtet man. Mehr wäre für die schmucklose Atmosphäre auch denkbar unpassend. Düstere Akkorde, schleppende Rhythmen, kreisende Gitarren herrschen vor. Verdammt eigen und doch angenehm nostalgisch. Und auch Hein hat es nicht so mit dem Fortschritt: "Sieh nie nach vorn / Was hab ich denn da vorn verlorn?" Dennoch träumt er in "Die Internationale" noch einmal von der Revolution. "Es müsste noch mal wie '89 sein / 17, nicht 19, aber weltweit / Religionen verboten, Politiker enthirnt / Vernunft und Vertrauen." Doch die Ideale von einst lösen sich in Schlechtgefallen aus. "Ach, Janie, Du spinnst," kommentiert er sich selbst. Das nennt man wohl Erwachsenwerden.

(Oliver Ding)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Rhein in Flammen
  • Die Internationale
  • Club der schönen Mütter
  • Herzen gelandet

Tracklist

  1. Rhein in Flammen
  2. Die Internationale
  3. Club der schönen Mütter
  4. Der Fremde
  5. Schnöselmaschine
  6. Was der Himmel verbietet
  7. Reiselust
  8. Du ran Du ran
  9. Das Leben zum Buch
  10. Die kleine Geldwäscherei
  11. Herzen gelandet
  12. Sieh nie nach vorn
Gesamtspielzeit: 48:01 min

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