
Witchcraft - Nucleus
Nuclear Blast / WarnerVÖ: 15.01.2016
Kauzgeschichten
Manchmal lohnt es sich, bis an die Anfänge eines Genres zurückzugehen, um die Wichtigkeit einiger Vertreter einschätzen zu können. Black Sabbath mögen nach allgemeiner Lesart mit ihren urwüchsigen, tiefschwarzen Riffs den Metal im Allgemeinen und Doom im Speziellen begründet haben. Für letzteres Genre aber ist eine bestimmte Band beinahe noch wichtiger, obwohl sie es in nahezu 45 Jahren gerade einmal auf acht Studioalben brachte. Die Rede ist natürlich von Pentagram, gegen deren Frontmann Bobby Liebling Ozzy Osbourne ein taufrischer Springinsfeld ist. Nun, dass Magnus Pelander ein großer Fan von Pentagram ist, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Waren es doch die amerikanischen Genre-Vorreiter, denen Pelander mit seiner Band Witchcraft 2000 Tribut zollen wollte. Und nimmt man so manches überaus schräge Interview zum Maßstab, könnte man glatt meinen, Pelander stünde Liebling in Sachen Kauzigkeit in nichts nach. Nur mit weniger Drogen, wohlgemerkt.
Musikalisch steht Pelander seinem großen Idol in nichts nach. Auch wenn der Schwede nicht zum ersten Mal seine komplette Band ausgewechselt hat, klingt "Nucleus" von der ersten Sekunde an wie aus einem Guss. Dabei beginnt "Malstroem" bedächtig, fast beschwörend mit schwebenden Flöten zu sachtem Gitarrengeklimper. Bis ein feistes Riff hineingrätscht und den Song in den Abgrund reißt, pure Düsternis ausströmen lässt. Und die kurzfristige ätherische Fröhlichkeit der ersten Sekunden über knapp neun Minuten erbarmungslos in eben jenen Mahlstrom zieht. Was für ein Gegensatz dazu dann "The outcast": Selten wohl hat Pelander mit derart leichtfüßigen Schwingungen einen kühnen Bogen von Jethro Tull zur Neuzeit mit Blood Ceremony geschlagen. Und doch wohnt auch diesem Ohrwurm immer wieder diese Melancholie inne, die offensichtlich nur wenig Auswege aus der Düsternis sieht.
Der tongewordene Wahnsinn jedoch sind die beiden Longtracks, namentlich das Titelstück mit seinen 14 Minuten und der noch knapp zwei weitere Minuten längere Abschluss "Breakdown". Erneut dreht Pelander sein Innerstes nach außen, lässt bei "Nucleus" auf nervenzerrende Weise minutenlang einen entrückten Chor über ein simples Riff beschwören, als wären es Chants. Und besitzt dann gar noch die Chuzpe, den Song mit Akkordeonklängen auslaufen zu lassen. "Breakdown" hingegen wischt auch das letzte bisschen Helligkeit beiseite, indem bereits die wabernden Gitarrenklänge der ersten Minuten das Tongeschlecht "Moll" wie ein ausgelassenes Tänzchen wirken lassen. Jedoch nur, um darüber einen geradezu grotesken Spannungsbogen zu breiten. Bis diese pure Dekonstruktion dann endlich zu einem grandiosen Ende geführt wird.
Beinahe ist es schon tragisch, dass demgegenüber kürzere Tracks wie "Theory of consequence" oder "The obsessed" zwangsläufig den Kürzeren ziehen müssen. Es sind eben nicht die kompakten Songs, mit denen der Sound von Witchcraft seine düstere Magie voll entfaltet, sondern die ausufernden überlangen Epen. Denn offensichtlich nimmt sich Magnus Pelander hier die Zeit, um die Atmosphäre hinreichend stimmig aufzubauen, auch einmal vom vermeintlich vorgegebenen Weg des traditionellen Songwritings abzuweichen. Und genau das ist es, was "Nucleus" zu einer faszinierenden Platte macht. Denn die Schweden bewegen sich gekonnt gleich in mehreren Spannungsfeldern. Dem ihrer eigenen Atmosphäre zwischen Schwärze und Licht. Zwischen Doom und Hardrock. Und am Ende höchst stilsicher zwischen der Moderne und der Zeit, in der das große Vorbild Pentagram noch durch stimmungsvolle Shows denn durch ihren abgewrackten Frontmann Aufsehen erregten.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The outcast
- Nucleus
- Breakdown
Tracklist
- Malstroem
- Theory of consequence
- The outcast
- Nucleus
- An exorcism of doubts
- The obsessed
- To transcend bitterness
- Helpless
- Breakdown
Im Forum kommentieren
Mann 50 Wampe
2022-03-11 06:44:05
Ja ist nur Akustisch. Gefällt mir aber auch. Ich habe gehört er soll psychisch angeschlagen sein, daher hält es wohl auf Dauer auch kein Mitmusiker mit ihm aus.
Euroboy
2022-03-10 23:23:21
Hmm, ich mochte die Platten davor sehr. Nucleus war mir dann aber ein wenig zu lang und zu wenig auf den Punkt gespielt. Hab die Platte aber schon lange nicht mehr gehört, sollte ich mal wieder anhören.
Inzwischen scheint Witchcraft ja nur noch ein Magnus Pellander Soloprojekt zu sein. Die letzte Platte "Black Metal" war ja auch nur noch so Akustik Singer/Songwriter Zeug.
Mann 50 Wampe
2022-03-10 18:08:21
Nur zwei Einträgen zu diesem Meilenstein *Kopfschüttel*
HELVETE II
2016-01-12 12:10:31
Klasse Retro 70's Rock, die Schweden wissen halt wie.
Armin
2016-01-05 00:32:16
Frisch rezensiert!
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