Mogwai - Central belters

Rock Action / Rough Trade
VÖ: 23.10.2015
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Glasgow mega-snake

Langsam und behäbig, stoisch und mächtig kann sie musizieren, die schottische Band Mogwai, deren 20-jähriges Bestehen nun mit der Retrospektive "Central belters" gefeiert wird. Dabei sind sie bereit, jederzeit aggressiv nach vorn zu schnellen; unvermittelt und unheilvoll. Mogwai, die "Glasgow mega-snake"! Leider hat's der Track nicht einmal in den erlesenen Kreis der 34 Stücke umfassenden Best Of geschafft, doch die Assoziationen, die der Titel weckt, lassen sich auch in Mogwais musikalisches Schaffen übersetzen. Die überlangen, den Hörer langsam vor Intensität erwürgenden Geschosse ihrer Diskografie kommen auf "Central belters" hinreichend zur Geltung: Nicht allein die Kompositionen "Mogwai fear Satan" und "My father my king" sind umwerfend, sondern auch, dass darauf in dieser Vergangenheitsbewältigung nicht verzichtet wurde. Gerade für letzteres ist die Metapher "Wall Of Sound" erfunden worden.

Mitte der Neunziger Jahre, etwa zeitgleich, gründeten sich auch die anderen Grandseigneurs des Post-Rock, die Kanadier Godspeed You! Black Emperor. Wenn zwei Bands als Wegweiser für die Begründung eines neuen Genre-Etiketts gelten, so fallen normalerweise Berührungspunkte und Ähnlichkeiten ohne Ende ins Auge. Aber bei diesen exaltierten Verfechtern von Authentizität? Fehlanzeige. Mogwai formulieren kompakte und gefühlvolle Stücke, denen zwar einerseits ein niedrigeres Maß an Komplexität unterstellt werden kann, deren prägnantes Format andererseits ein nachvollziehbahreres und pures Element innewohnt. Kompaktheit und Kürze, dafür stehen zuvorderst die letzten beiden Platten "Hardcore will never die, but you will" und "Rave tapes", obschon auch das vierminütige "Stanley Kubrick" von unheimlicher Grandezza zeugt.

Dementsprechend kann man auch einfach, ohne sich zu einem windschiefen Vergleich hinreißen zu lassen, konstatieren, dass Mogwai sich des kraftraubenden, in Avantgarde und Klassik weisenden Stils der Kanadier um Efrim Menuck stets verschlossen haben. Eventuell haben ihnen ihr geerdeter Habitus und ihre musikalisch manifeste Bodenständigkeit die eine Dekade umfassende Veröffentlichungspause erspart, zu der sich Godspeed You! Black Emperor genötigt sahen. Stattdessen haben Mogwai ihre Diskografie konstant und stabil erweitert. Selbige Adjektive beschreiben ihren Output bis zum heutigen Tag, bis hinein in die letzte Trackgrenze. Ihre unermüdlichen Anstrengungen, dem vagen Genre-Begriff Post-Rock neue Facetten abzuverlangen und das Potenzial zumeist instrumentaler Schönheit freizulegen, konterkarieren das seit einiger Zeit offenbar gültige "Es ist längst alles gesagt"-Dogma, welches die Apologie des Post-Rock wieder und wieder zum Ausdruck bringt, vehement. "Remurdered", der wohl konsequenteste Mogwai-Track dieses Jahrzehnts, erteilt dieser unverständlichen Auffassung eine deutliche Absage.

Und das, obwohl schon frühzeitig Anlässe zur Kritik am Schaffen der Schotten bestand. "Come on die young": zu ruhig. "Rock action": halbgar. "The hawk is howling" ahme den Aufbau von "Mr. Beast" so selbstbezüglich nach, dass es sich dabei ja wohl nur um ein entsetzliches Wiederkäuen handeln könne. Auch einzelne Stücke waren mit der Wegwerf-Mentalität einiger zum Teil ehemals treuer Begleiter konfrontiert: Allen voran "The sun smells too loud", das das Lausbübische schon im Titel trägt, wurde ambivalent aufgenommen: Die einen finden allein die ekligen Zuckerglasur-Reste von dem vor, was einmal ein Lied gewesen sein könnte, während sich die anderen harmoniebedürftig an der beseelten Übersättigung wärmen.

Seit ihrer Gründung haben Mogwai eine Parallelwelt kreiert, eine, in der Gegensätze sich auflösen, raues Scheppern und Momente der Schönheit einander nicht ausschließen, und vor allem eine, in der es sich nicht allein die Musiker gemütlich machen können, sondern auch jeder Hörer Zuflucht findet, der sich ihr nähert. "Central belters" ist der schnellste Weg in diesen monumentalen Klangkörper. Fahrtzeit: drei Stunden, 40 Minuten. Oder im "Glasgow mega-snake"-Sprech: Nähert man sich ihr bis auf zehn Meter Entfernung, braucht es übermenschliche Entschlossenheit, sich ihr zu widersetzen, um von ihr wieder loszukommen. Von der Musik, wohlgemerkt!

(Henrik Beeke)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Christmas steps
  • Hunted by a freak
  • Stanley Kubrick
  • Friend of the night
  • The sun smells too loud
  • Remurdered
  • My father my king

Tracklist

  • CD 1
    1. Summer
    2. Helicon 1
    3. CODY
    4. Christmas steps
    5. I know you are but what am I?
    6. Hunted by a freak
    7. Stanley Kubrick
    8. Take me somewhere nice
    9. 2 rights make 1 wrong
    10. Mogwai fear Satan
  • CD 2
    1. Auto rock
    2. Travel is dangerous
    3. Friend of the night
    4. We're no here
    5. I'm Jim Morrison, I'm dead
    6. The sun smells too loud
    7. Batcat
    8. Mexican Grand Prix
    9. Rano pano
    10. How to be a werewolf
    11. Wizard motor
    12. Remurdered
    13. The lord is out of control
    14. Teenage exorcists
  • CD 3
    1. Hugh Dallas
    2. Half time
    3. Burn girl prom queen
    4. Devil rides
    5. Hasenheide
    6. Tell everybody that I love them
    7. Earth Division
    8. Hungry face
    9. D to E
    10. My father my king
Gesamtspielzeit: 218:47 min

Im Forum kommentieren

Felix H

2019-08-24 23:27:49

CD3 ist der Hammer. :-)
Aber "Ratts Of The Capital" hat sich über die Jahre quasi zum Liebling gemausert. Immerhin sind "Stanley Kubrick" und "Hnugry Face" drauf. Die "Central Belters" hat schon eine hohe Trefferquote.

The MACHINA of God

2019-08-24 21:56:16

Ach, diese Band. Höre grad mal wieder diese hier. Bin eigentlich kein Best of-Fan, aber hier ist ja auch viel anderes dabei. Auch wenn einiges grandioses fehlt ("White noise", "Ratts of the capital", "Glasgow mehr snake") schon ein guter Einstieg. Bin gleich bei CD 3 angelangt, da wird es ja nochmal sehr interessant.

Mr Oh so

2015-12-06 23:25:15

CD 3 ist schon recht interessant. Die Songs gibt es meines Wissens sonst nirgends kompiliert.

Demon Cleaner

2015-12-06 21:09:17

Finde ich auch. Sehr gut auch der Satz über die ambilvalente Aufnahme von "The Sun Smells Too Loud" und dass "Stanley Kubrick" in den Highlights zu finden ist.

The MACHINA of God

2015-12-01 09:52:18

Die Rezension ist wirklich sehr gut geschrieben.

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