Beatsteaks - 23 singles

Warner
VÖ: 18.09.2015
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Topfschlagen

Wir schreiben das Jahr 1995: Im März tritt das Schengener Abkommen in Kraft. Ein Abkommen, das Grundlage eines Europa ohne Grenzen sein sollte und das nun, 20 Jahre später, so gut wie gescheitert ist. Im April 1995 erreicht der erste Castor-Behälter das Zwischenlager in Gorleben, im Mai wird Jacques Chirac wird zum französischen Staatspräsident gewählt. Im August geht mit großem Tamtam Windows 95 an den Start, und im Oktober gar nehmen Deutschland und San Marino diplomatische Beziehungen auf. Kurioser als letztgenannte Meldung ist aus heutiger Sicht vielleicht auch der Werdegang der Beatsteaks, die sich ebenfalls 1995 gründeten – zumindest, wenn man die Musiker fragt.

Im Proberaum in der Alten Schönhauser Straße 48/49, Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, schreibt die Band, die ihre Existenz in erster Linie auf ihre Freundschaft untereinander zurückführt, ihre ersten Songs. Bernd Kurtzke und Peter Baumann (beide Gitarre) sind von Beginn an dabei, kurz darauf stößt Arnim Teutoburg-Weiß dazu – zunächst als dritte Kraft an der Gitarre. Das Debüt "48/49" erscheint beim Berliner Label XNO. 1998 nimmt Thomas Götz hinter den Trommeln Platz, ab 2000 ersetzt Thorsten Scholz Alexander Rosswaag am Bass.

Die hier vorliegende Compilation, schlicht "23 singles" getauft, setzt erst weit später an. Ohne Plan, mit ein bisschen Glück, aber immer mit dem größtmöglichen Spaß gelingt es den Berlinern langsam, ihre frenetisch gefeierten Schweiß-Shows in zählbaren Erfolg in der Branche umzumünzen. "Let me in" und "Summer" eröffnen nicht nur dieses Album, sondern markieren im Zuge der dritten Platte "Living targets" gleichzeitig den Zeitraum, in dem die Band aus der Punkrock-Nische hervortritt. Es gibt noch Musikfernsehen! Und die ersten Beatsteaks-Videos auf VIVA 2 und MTV.

Mit "Hand in hand", "Hello Joe" und "I don't care as long as you sing" rollt 2004 die Punk'n'Roll-Hitwalze "Smack smash" übers Land. MTV-, 1Live- und Radio-Fritz-Rotation sowie prominente Fürsprecher hieven die Beatsteaks durch die Decke. Die Konzerte sind vollgestopft wie immer, nur die Hallen werden größer und größer. Die vermeintliche Last, zu den dicksten Rockbands des Landes zu gehören, beflügelt den Fünfer. Gute Musik für die breite Masse? Punkrock-Abriss auf dem Headliner-Slot der größten Festivals? Was sich ausschließt, ist längst das Normalste der Welt. "23 singles" hat natürlich auch in der "Limbo messiah"-Kiste gekramt, und das melancholische "Meantime", den Hau-drauf-Punkrocker "Demons galore" und das nach Jahren noch großartige, düstere "Hail to the freaks" gefunden.

"Boombox" und das aktuelle, selbstbetitelte Album laden zum Tanz durch die Genres, was zu Songs wie dem polternden Hüftschwinger "Gentleman of the year" führt, diesem Tanzbär, der an viele erinnert, aber im Grunde nur nach Beatsteaks klingt. Und zwar nach 2014, und damit so gar nicht nach 1995, 1997 oder 1999. Die rauhe Früh-Phase und die Epitaph-Zeit – "48/49" und das großartige "Launched" – sucht man hier vergeblich. Das chillige "Saysaysay" oder "Ticket", ein ganz neues Stück, zögen gegen Material aus der Vor-Singles-Zeit wie etwa "Shiny shoes" oder "Indifferent" klar den Kürzeren. Das schmälert diese Songsammlung ein bisschen. Aber nicht die Freundschaft nach 20 Jahren, wie das neueste Video unterstreicht. Glückwunsch zum Geburtstag! Und jetzt auf zum Topfschlagen!

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Let me in
  • Hey Du
  • I don't care as long as you sing
  • Demons galore
  • Hail to the freaks
  • Milk & honey
  • Gentleman of the year

Tracklist

  1. Summer
  2. Let me in
  3. Hey Du
  4. Hand in hand
  5. I don't care as long as you sing
  6. Hello Joe
  7. Frieda und die Bomben (feat. Turbostaat)
  8. Jane became insane
  9. Cutt off the top
  10. Demons galore
  11. Meantime
  12. Hail to the freaks
  13. Milk & honey
  14. Cheap comments
  15. Automatic
  16. House on fire
  17. Saysaysay
  18. DNA
  19. Gentleman of the year
  20. Make a wish
  21. Everything went black
  22. Ticket
  23. Mad river
Gesamtspielzeit: 76:12 min

Im Forum kommentieren

solea

2015-12-02 18:12:42

@eric.
Werde ich mir über die Feiertage mal geben :-)

eric

2015-12-02 10:34:47

@solea: So unglaublich weit weg von dem "Launched"-Zeug sind "Big attack", "Ain't complaining" oder "Atomic love" aus 2004 nicht. "As I please", "Demons galore" oder "E-G-O" von "Limbo messiah" dürften Dir auch Spaß machen. Oder eben "Hail to the freaks", mittlerweile ihr bester Song, wie ich finde. Die beiden letzten Alben sind doch eher indierockig, mal Strokes, mal Hives mit etlichen anderen Stilen drin.

solea

2015-12-01 20:02:41

Ich war ja so... vor guten 10 Jahren... ein großer Fan dieser Band. Dann kam ldas weichgespülte living targets und dann habe ich mich nicht mehr für sie interessiert (Kam danach eigentlich noch etwas in Richtung launched?!).
Als sie noch keine singles machten, fand ich sie anscheinend deutlich besser, komischer Zufall.

Trotzdem syphathische Jungs und ne gute Liveband.

MM13

2015-12-01 19:52:47

gute rezi!
seh ich eigentlich genauso,das album und die jungs machen einfach spass.

Armin

2015-11-30 23:23:55

Frisch rezensiert!

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