Playfellow - Ephraim's house
Atomino / Broken SilenceVÖ: 13.11.2015
Bitte mehr
Die Art und Weise, wie Alben in den letzten Jahren veröffentlicht wurden, hat sich geändert, ob einem das passt oder nicht. Neue Werke werden nicht mehr unbedingt Wochen oder Monate vorher angekündigt, sondern erscheinen ab und an sogar vollkommen ohne Vorwarnung einfach über Nacht. Das altbewährte CD-Format wird von digitalen Kanälen abgelöst, seit einiger Zeit auch wieder von Vinyl. Es ist zudem längst nichts Neues mehr, dass ein Künstler zwei Alben binnen weniger Monate veröffentlicht. Oder dass eine EP als "Mini-Album" verkauft wird. Die Grenzen von Musikveröffentlichung verschwinden immer mehr – oder verschieben sie sich nur?
Auch Playfellow aus Chemnitz sind solche Grenzgänger. Deren drittes Werk "Ephraim's house" hat zwar eine durchaus normale Spielzeit von etwas mehr als 30 Minuten. Diese erstrecken sich allerdings auf gerade mal fünf Stücke. Gut, möchte man da noch sagen, das Quintett spielt in seiner nunmehr gut zwölf Jahre andauernden Karriere neben Indie-Rock- und Folk- vor allem auch mit Post-Rock-Elementen. Ein Genre, das von ausufernden, großen, langen Melodien lebt und in dem es nicht unüblich ist, dass ein Song mal über eine Viertelstunde andauert. Bei Playfellow ist sich aber dennoch niemand so richtig sicher, wie man "Ephraim's house" nun bezeichnen soll.
Im Grunde ist es ja auch egal, ob es sich nun um eine LP, eine EP, ein Mini-Album oder eine auf mehrere Teile ausgebreitete Megasingle handelt. Denn "Ephraim's house" ist vor allem eins: saugut. Der sächsische Fünfer hat sich in den fünf Jahren seit Erscheinen des Zweitlings "Carnival off" nicht auf seinen Lorbeeren ausgeruht, sondern seine Stärken noch verfeinert. Der geradezu epische Opener "Fears and cities" macht das bereits gleich zu Beginn deutlich: Auf fast acht Minuten breiten sich Sänger Toni Niemeier und seine Kollegen hier aus, eine prominent im Vordergrund platzierte Gitarre gibt den Ton an, zu dem sich nach und nach der Rest der Mannschaft gesellt. Dieses Team spielt nicht nur für sich, sondern für alle, für uns, für Euch. Und anfeuern lohnt sich.
"Hours and months" beweist schließlich auch, dass Playfellow keine Angst vor Experimenten haben. Müssen sie auch nicht: Die tanzbare Math-Rock-Nummer macht Spaß und muss sich nicht hinter seinen britischen Gegenstücken verstecken, wohingegen das gewaltige "Starman from the starsea" eher seinesgleichen sucht. Düster und beinahe albtraumartig startend entfaltet es sich in knapp zehn Minuten, erhebt sich über den Rest von "Ephraim's house", fegt alles hinweg, was nicht niet- und nagelfest ist und bleibt am Ende wie der Fels in der Brandung stehen. Damit kann auch der eigentliche Abschluss in Form von "Late walk" nicht mithalten, das sich hektisch und stürmisch seinen Weg vom Gehör direkt in die Beine bahnt, wo es für unkontrollierbares Zucken sorgt. Und dann ist es auch schon wieder vorbei. Und was ist es denn nun – eine EP? Oder eine LP? Wurscht. Playfellow, Ihr dürft das Teil bezeichnen, wie Ihr wollt. Aber bitte gebt uns mehr davon.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Fears and cities
- Starman from the starsea
Tracklist
- Fears and cities
- Our room
- Starman from the starsea
- Hours and months
- Late walk
Im Forum kommentieren
Benni
2016-03-19 15:37:23
Übrigens hat Playfellow gerade noch nachgelegt - eine echt starke Variante von Depeche Mode's "Stripped". Gehört zwar nicht zur Platte (leider), sollte aber jeder Musikliebhaber gehört haben ;-)
Hier der Youtube-Link:
https://www.youtube.com/watch?v=Ttigr1yqleo
Sandro & Babett
2015-12-01 21:23:07
Klingt interessant? Liebe Leute, wo leben wird denn? Mehr von dieser Musik und es bräuchte weniger Drogen:-) Unverschämt stimulierende Musik, wie sie in unserer Zeitgeistscheisse immer weniger das Licht der Welt erblickt. Nur logisch, dass diese KUNST eher in bröckelnden Oststädten wie Chemnitz entstehen kann - jedenfalls dann, wenn Charakterköpfe über die Jahre sich zu einer Band entwickeln, wie sie Playfellow nun einmal ist. Eigentlich bin ich bei dieser Art von Musik nicht unbedingt euphorisch - hier kann ich nicht anders! Nächstes Konzert der Band, ein Ritterschlag des Understatements, findet im Kunsthaus Eigenregie am 05.12.2015 statt. Fazit: RESPEKT!
The MACHINA of God
2015-11-30 17:12:50
Ja, klingt echt interessant.
Benni
2015-11-30 10:38:53
Kann der Rezension nur beipflichten! Ein großes Werk, dass eine Art Konzeptalbum zu sein scheint. Der Einstieg mit Fears and Cities ist perfekt traurig/dunkel/düster, die Stimmung wird über Our Room bis zum grandiosen Finale von Starman and the Starsea wunderbar zu wütender Verzweiflung aufgebaut und explodiert mit Hours and Months und der ersten Hälfte von Late Walk aber plötzlich in ausgelassener Fröhlichkeit. Die letzten Minuten der Platte lassen einen dann mit einem wunderbaren Ausklang erschöpft und glücklich zurück. Gleich wieder auf die 1 spulen? Unbedingt. Diese Gefühlsachterbahn macht süchtig. Man weiß gar nicht, wie man von dem Album loskommen soll, wenn es einmal läuft... Ich persönlich finde auch jeden Song für sich genommen ganz stark. Im Vergleich zum Vorgänger gefällt mir besonders, dass der Pop in den Hintergrund tritt und Rock- oder sogar Metal-Elementen den Vortritt lässt. Die alten oft genutzten Vergleiche mit anderen Künstlern (Radiohead, Coldplay usw.) funktionieren nicht mehr. Playfellow sind irgendwie "mehr" geworden.
Nach meinem Empfinden eine glatte 10/10. Für eine ganze Weile wird das mein Lieblingsalbum bleiben.
Fears and Cities - eine dunkeldüstere 8-Minuten-Orgie, die sanft und traurig beginnt, aber einen jähen Umbruch erfährt und wütend/zornig endet
Our Room - im Vergleich zu den übrigen Liedern fast schon langweilig - denkt man sich aber nur bis zum grandios gitarrenrauschenden Finale
Starman from the Starsea - unbeschreiblich schön! Wer hat das geschrieben? Pink Floyd?
Hours and Months - man könnte fast einen Moshpit aufmachen, so druckvoll treiben Bass und Schlagzeug; dazwischen gibt es glücklicherweise zwei Verschnaufpausen, die schönmelodische Kontraste setzen und einen fast zu melancholischen Freudentränen rühren
Late Walk - schließt nahtlos an den treibenden Vorgänger an, ist aber nochmal eine ganze Ecke rockiger/rotziger; das Ende ist breit ausgebaut, man hofft die ganze Zeit, dass es noch einmal "abgeht", ist aber schließlich glücklich, dass man liegen bleiben und den Wolkenhimmel betrachten kann
Armin
2015-11-24 21:14:48
Frisch rezensiert!
Meinungen?
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Forum
- Playfellow - Ephraim's house (5 Beiträge / Letzter am 19.03.2016 - 15:37 Uhr)
- Playfellow - Carnival Off (9 Beiträge / Letzter am 25.02.2011 - 18:20 Uhr)
- Playfellow - penumbra (5 Beiträge / Letzter am 04.08.2009 - 22:00 Uhr)