Sleep Kit - II

Big Scary Monsters / Al!ve
VÖ: 30.10.2015
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Kratziger Wollschal

Im Winter muss man sich entscheiden: Sackt das Thermometer ab, beginnen vornehmlich männliche Zeitgenossen damit, etliche Schichten übereinander zu tragen. Schaut hübsch verwegen aus, und dann tut's auch der alte Parka oder die liebgewonnene Übergangsjacke. Einfacher, aber auch mitunter klobiger kommt da die dicke Winterjacke daher, in der man sich teilweise vorkommt wie das hellweiß geringelte Männchen im Michelin-Spot. Nach zwei, drei Durchgängen der ersten Platte von Sleep Kit, konsequenterweise "II" getauft, ist man gewillt festzustellen, dies sei ein zur Jahreszeit passendes, weil kühles, stürmisches und sich allzu offsichtlicher Harmonie verweigerndes Gitarrenrock-Album geworden.

Nicht verwunderlich, schickt sich doch das verschrobene und passend betitelte Post-Punk-Stück "Discontent/disconnect" an, mit seiner Kompromisslosigkeit zu schocken. Schenkt man dem Debüt des Dreiers aus Köln, Aachen und Maastricht jedoch ein paar Durchläufe an Aufmerksamkeit, hat man es nach und nach mit neun kleinen, knackigen Kompositionen zu tun. Trotz davonspurtender Zweiminüter der Marke "Spruw" ist dieses von Jack Shirley (Deafheaven, Joyce Manor) produzierte "II" tatsächlich anschmiegsam, manchmal melancholisch, aber immer warm – wie ein kratziger Wollschal. Das klingt dann zwar nicht immer wie "Foster ghost plan", das man sich gar auf Weezers "Pinkerton" vorstellen könnte. Aber "II" ist nicht mehr ganz so kompromisslos lärmig wie Sleep Kits selbstbetitelte EP aus dem Jahre 2013, lebt aber natürlich auch von den prominenten, schnodderig-windschiefen Gitarren, die das lärmige "I'da called you Eti, Erik" auszeichnen.

Doch letztlich sind diese mehr für die Grundstimmung der Songs zuständig, als dass sie den Sleep-Kit-Sound alleine ausmachen. Denn es gibt andere, angenehm unkonventionelle Elemente: Die Breaks sind instinktiv, dynamisch und unvorhersehbar, sodass "Solsbury chill" sich ganz nah bei Sonic Youth und Pavement aufhält, aber hörbar pudelwohl fühlt. Oder das Drumming an sich, das der beinahe hymnischen Auskopplung "Standby me" immer wieder gehörige Wendungen verleiht und auch dann hervorsticht, wenn Songs wie "Magnitogorsk" (Google Maps ruft!) sich zum Finale hin selbst zerstören. Ähnlich wie die Zunge beim Lesen mancher Songtitel in der Tracklist. Oder wie grauer Schneematsch, der vor dem Frühling kapituliert. Bald schon.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Standby me
  • Spruw
  • Discontent/disconnect
  • Solsbury chill

Tracklist

  1. Standby me
  2. Spruw
  3. Discontent/disconnect
  4. Foster ghost plan
  5. I'da called you Eti, Erik
  6. Magnitogorsk
  7. Solsbury chill
  8. Piñata beehive
  9. T'Dörp
Gesamtspielzeit: 29:50 min

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MartinS

2015-11-26 14:48:30

Ja, hier: Das ist ein super Herbstalbum. Und vermutlich eines von der langlebigeren Sorte, da man auch nach oftmaligem Hören noch Neues entdeckt.
Nur Peter Gabriel hätte man in der Rezi vielleicht erwähnen können, wenn man schon "Solsbury (c)hill" im Text beschreibt ;-)

Armin

2015-11-24 21:16:28

Frisch rezensiert!

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