Six Organs Of Admittance - Hexadic II
Drag City / Rough TradeVÖ: 27.11.2015
Erst hart, dann zart
Ben Chasny ist ein vielbeschäftigter Mann. Ein Vollblutmusiker. Einer, der morgens zum Frühstück offenbar keine Zeitung, sondern Notenblätter liest. Mit seinem Hauptprojekt Six Organs Of Admittance hat Chasny seit 1998 so viele Alben, EPs und Singles veröffentlicht, dass es ehrlich schwerfällt, noch mitzuzählen. Die Vertonung seiner Gedanken fällt dabei mal mehr oder weniger laut aus, mal intensiver, mal mystischer, hier mit Raffinesse, da mit dem Holzhammer. Das erst vor wenigen Monaten erschienene "Hexadic" hingegen servierte die darauf enthaltenen neun Stücke eher mit der Kettensäge: Bis zur Unkenntlichkeit verzerrter Noise traf auf erbarmungslose Brutalität. Was für Chasny eine Übung in Grenzüberschreitung zu sein schien, endete für den Hörer im Kontrollverlust. Ein einfaches Rockalbum habe er aufnehmen wollen, hieß es vorab. Aber "Hexadic" war alles andere als einfach.
Die von Chasny entwickelte Kompositionstechnik liest sich nicht nur auf dem Papier kompliziert: Basierend auf 36 verschiedenen Ideen – verkörpert von Spielkarten –, die miteinander in unterschiedlichen Weisen interagieren und die während des Komponierens in Noten umgewandelt werden, wirkte das in die Tat umgesetzt schnell recht anstrengend und statisch. Mit dem Nachfolgewerk "Hexadic II" geht Chasny nun den umgekehrten Weg: Akustische Perlen, die scheinbar zwischen Himmel und Hölle in einer gleichermaßen dichten wie durchlässigen Atmosphäre existieren und für den Hörer je nach Blickwinkel ihre Aussage ändern. Vom gespenstischen "Cut angle", auf dem sich in Gedanken versunkenes Fingerpicking mit unheilschwangeren Streichern vereint und der Gesang nur als weiteres Instrument denn als wirklicher Erzähler fungiert, zum fragil anmutenden Lagerfeuer-Märchen "Exultation wave" weiß Chasny offensichtlich um die Wirkung einer längst bewährten Weisheit: Weniger ist mehr.
Gemäß dem von ihm erstellten Algorithmus ist "Hexadic II" stets verknüpft mit dem Vorgänger, präsentiert aber nie bloße Abwandlungen bereits bekannter Songs. Der Opener "Fear havoc night" ist mit seiner tiefschwarzen Melodie und dem damit in Kontrast stehenden glockenhellen Falsettgesang ebenso eigenständig und unabhängig wie das todtraurige "Burial empty found". Der Achtminüter "Anyone's dawn" baut sich über seine lange Spielzeit als Glanzstück des Albums auf und scheint, einem apokalyptischen Film gleich, jegliche Existenz von Leben anzuzweifeln. Zum Glück wird der Kalifornier am Ende doch noch versöhnlich: Das Finale lässt mit "Poor guild" endlich die Sonnenstrahlen durch, wärmt Körper und Geist und hinterlässt den Hörer im Unklaren darüber, was nun Traum und was Wirklichkeit ist. Beide Teile von "Hexadic" spiegeln die guten wie schlechten Seiten des Daseins wider – mit allen harten und zarten Augenblicken, allem Lärm und aller Friedlichkeit.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Fear havoc night
- Anyone's dawn
- Poor guild
Tracklist
- Fear havoc night
- Exultation wave
- Anyone's dawn
- Arm their rows
- Cut angle
- Wasp code
- Burial empty found
- Vile hell
- Poor guild
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Armin
2015-11-24 21:16:19
Frisch rezensiert!
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