Josefin Öhrn + The Liberation - Horse dance

Rocket / Cargo
VÖ: 06.11.2015
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 10/10
10/10

Alle Vernunft ist irrsinnig

Wenn Sie das hier gerade auf dem Weg in eine Anstalt lesen, was in heutigen Zeiten so wahrscheinlich ist, wie es jemals war, dann fahren Sie doch bitte noch einmal rechts ran. Oder betätigen Sie den Nothebel, halten Sie kurz inne. Nur für knapp vierzig Minuten, acht Lieder, das ist im Vergleich zu allem eine harmlose Bedenkzeit. Weil Josefin Öhrn, die Schwedin mit dem wundervoll ungalant klingenden Namen, und ihre Musikusse von The Liberation etwas zu erzählen haben. Nichts, worüber man sich nicht sowieso schon im Klaren war oder was einen zur Besinnung brächte. Aber hey, bevor man sich mit Klangschalen und Yoga zu entspannen versucht oder mit Pillen betäubt, sollte man diesen "Horse dance" gehört haben.

Öhrn spukt erst einmal gespenstergleich durch die acht Stücke, im Opener "Dunes" durch ein Beet aus wabernden Synthesizern und enervierten Beats, in das sie ihre bereits verwelkten Blumen steckt. Dazu wird aufgezählt, was alles nicht mehr von Bedeutung, also vollkommen wurscht ist, um unterm Strich festzuhalten, wie diese Erkenntnis doch die Seele erleichtert. Das hat musikalisch etwas von Portishead ohne das Bruchstückhafte von "Third" oder geschwinderen Mazzy Star. Auch Humor hat dieses Album. "Sanity" müsste den dunklen Klangfarben zufolge eigentlich "Insanity" heißen, also Irrsinn statt Vernunft, vielleicht lacht Öhrn daher zum Ende des Liedes in das Mikrofon. "You have arrived" ist ein narkotisierter Dub-Beat ohne klare Struktur, auf den verhallende Instrumente gelegt wurden.

In "Take me beyond" bestimmen die vielfingrig gepickten Gitarren, die im Chorus gar hoffnungsvoll den Übergang in eine andere Welt beschwören. "Take me beyond / I've been waiting for too long" heißt es, wenn die eingängige Popmelodie von Distortion in den Hintergrund gestürzt wird. Der Krach leitet in einen "Horse dance" über, in dem Öhrn gar nicht mehr zu verstehen ist, nur noch stöhnt und nuschelt. Das Lyrische wird vom Getriebenen der Musik verschluckt, als würde alles Intonierte sowieso nicht genügen, irgendetwas von Belang zu singen. Im folgenden dämmergrauen Diskostück "Green blue fields" wird diese Undeutlichkeit erneut aufgegriffen.

Dass Wiesen blau, Himmel grün und Wolken schwefelgelb erlebt werden, das wollte Adolf Hitler in einer Eröffnungsrede im Haus der Kunst (München in 1937) verbieten. Menschen, die so empfänden, seien Imbezile, seien einzusperren und überhaupt bedauerliche Unglückliche. Schon daher kann man immer wieder dankbar sein, wenn blaue Wiesen besungen werden. "Horse dance" ist sicher nicht der verschrobenste Gegenentwurf zu dieser Welt, dafür fehlt es an Raum und Zeit im Album selbst. Aber hört man bei geschlossenen Augen zu, dann sieht man das Ross, das die schwefelgelbe Wolke, auf dem es betrübt tanzt, selbst auffuttert. Und hat die Gewissheit, dass man alles, nur sich nicht einweisen lassen kann.

(Maximilian Ginter)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Sanity
  • Take me beyond
  • Horse dance

Tracklist

  1. Dunes
  2. Sunny afternoon
  3. Sanity
  4. You have arrived
  5. Take me beyond
  6. Horse dance
  7. Green blue fields
  8. Talk
Gesamtspielzeit: 40:36 min

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Underground

2015-11-17 21:30:05

ne knappe woche zu spät, armin.

http://plattentests.de/forum.php?topic=87291&seite=1

Armin

2015-11-17 21:24:50

Frisch rezensiert.

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