My Disco - Severe

Temporary Residence / Cargo
VÖ: 30.10.2015
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Öfter mal dasselbe

Nimm Dir 37 Minuten Zeit. Aber bitte keinen Keks. Du würdest Dir nur die Zähne daran ausbeißen. Genauso wie 1987 an der treffend benannten Big-Black-EP "Headache", die in entsprechender Lautstärke genau das verursachte. Ein Stück darauf hieß "My disco" – toller Name für eine Band. Dachten sich zumindest die ehemaligen Clann-Zú-Mitglieder Liam und Ben Andrews sowie ihr Kumpel Rohan Ribeiro und spielen unter diesem seit 2003 kantige Musik, die für Post-Rock zu konzis, für Math-Rock zu unvertrackt, für Post-Punk zu sperrig und für Punkrock zu diszipliniert ist. Nicht einmal Steve Albini, einst Mastermind von Big Black, konnte dem Trio aus Melbourne auf den Alben "Paradise" und "Little joy" diesen Starrsinn ausreden. Ob er das Handtuch geworfen hat, weil er ahnte, dass My Disco es bald noch bunter treiben? Beziehungsweise schwärzer?

Auf dem vierten Album betreute nämlich Cornel Wilczek alias Qua die rauen, aufgeworfenen Soundbrachen, bei denen der Titel Programm ist: streng, reduziert, unerbittlich. Von Songs möchte man kaum sprechen, wenn ein Basslauf sich wie ein Monolith aufbaut, bombende Drum-Überfälle ihm in die Parade fahren, eine Gitarre körperlos durch den Raum sirrt und jeden Moment qualmend abzuschmieren droht wie eine Fledermaus mit Motorschaden. Dass das seine Zeit dauert, versteht sich von selbst: Geschlagene achteinhalb Minuten benötigt "Recede", ehe die letzten wimmernden Saiten verstummen und Sänger und Bassist Liam ein finales "Recede into silence" gegen eine Nebelbank aus erstickten Drones raunt. Der einzige Satz, der in diesem Stück fällt – erhört wird er nicht. Die bange Stille zwischen den Lärmwänden ist so effektiv wie kurz.

Denn in der Folge treten My Disco gewaltig zu und überführen beim Stakkato-Hackbrett "1991" die Monotonie und das unterschwellig Böse des langgezogenen Openers in gemeine Handkantenschläge. Plötzlich ist die Luft ähnlich gesättigt von den gleichen eruptiven Noise-Wölkchen wie auf den frühen Swans-Alben "Filth", "Cop" und "Greed", als Michael Gira und Kollegen noch weit davon entfernt waren, als Hipsterkram zu gelten und mit Vorliebe immer wieder gnadenlos auf dieselbe Stelle eindroschen. Auch "Named" trampelt zuckende Kriechströme, gequält aufschreiende Riffs und stoische, wie aus einem lichtlosen Universum herüberwehende Vocals roh vor sich her, ohne mit der Wimper zu zucken. Und My Disco stapfen so grimmig entschlossen durch dieses Zwielicht, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Haben sie wahrscheinlich auch nicht.

Trotzdem ist diese komprimierte Kraftbrühe nicht nur im mit verheißungsvoll rotierenden Tribal-Drums drohenden "Successive pleasure" eine ebensolche: "King sound" inszeniert einen überfallartigen Zusammenprall der Instrumente, bevor eine repetitive Bass-Schlagzeug-Figur sich nacheinander mit verstimmtem Gitarrengerassel und statisch aufgeladenem Fiepen herumschlagen muss, "Our decade" lässt erst zerrende Reverbs von den Studiowänden widerhallen und stimmt dann einen Kriegstanz an, der die hypnotischsten Liars-Installationen in einen Eimer weißes Rauschen taucht. Währenddessen starren My Disco den Hörer so lange ungerührt an, bis er als Erster blinzeln muss – und vor diesem imposanten Brocken raumgreifender Power beeindruckt kapituliert. Abwechslung ist schließlich nur das halbe Leben. Für "Severe" gilt: Öfter mal dasselbe.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Recede
  • Successive pleasure
  • King sound

Tracklist

  1. Recede
  2. 1991
  3. Successive pleasure
  4. King sound
  5. Our decade
  6. Named
  7. Severance
  8. Careless
Gesamtspielzeit: 37:05 min

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Lukin

2015-12-11 01:34:33

top!

Armin

2015-11-17 21:24:33

Frisch rezensiert.

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