Bersarin Quartett - III

Denovali / Cargo
VÖ: 20.11.2015
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Die überlebensgroße Schönheit des Unkonkreten

Das sogenannte Kopfkino – keine Angst, dieser Begriff taucht hier nur als Teil der süffisanten Einleitung auf – also, das Kopfkino bezeichnet jenen rundfunkgebührenbefreiten Bereich der eigenen Vorstellungskraft, in dem immer Programm ist. Viele Bücher lassen große Emotionen auf der Leinwand auftauchen, zu gutem Wein laufen Aufnahmen aus dem südamerikanischen Valparaíso, und bei Tipps aus Modezeitschriften zum optimalen Geschlechtsverkehr kommen die Plastikbezüge auf die Sitze. Und die Musik von Thomas Bücker? Die reißt den ganzen Laden ein, lässt die vier Wände diffundieren, die Dunkelheit sich ausbreiten. Kein Kopfkino mehr, nie wieder. Denn als Bersarin Quartett führt Bücker in die Finsternis. Das Licht vorne, die Illusionen interessieren nicht mehr. Die Geschichte hat sich auf "III" längst ihre eigenen Wege gesucht. Ohne Worte.

Imaginäre Filmmusik, so sagt es Bücker selbst im Interview – das macht sein Bersarin Quartett. Dabei führt der 40-jährige Münsteraner schon mit dem Namen in die Irre. Es gibt hier nämlich kein Quartett, sondern nur ihn. Doch seine Musik reicht aus, um ganze Landschaften aus der eigenen Vorstellung zu heben. Aus Samples, Field Recordings und Instrumenten schafft er mit diesem Album die beste Ambient-Platte seit Jahren. "Hinter uns die Wirklichkeit" baut sich langsam auf, bis der Song als gigantische Wolke im Raum hängt und sich wieder zusammenzieht, ein Klavier lässt ein paar Töne fallen, ein Schlagzeug versteckt den Rhythmus hinter diesem Nebel, bevor die Streicher ihn davontragen. Jazz und Electronica treten als Einfluss auf dieser Platte noch mehr in Erscheinung

Nach seinen beiden ersten Alben hat sich Bücker hier ein wenig verabschiedet vom Noir, von den monochromen Melodien und dunklen Ecken in seinem Sound. Bersarin Quartett verwandelt die Sprachlosigkeit, die Dinge, die keinen Namen haben, in Töne, in Musik, in Schönheit. Das driftet hier aber nie in den Kitsch ab, Bücker hat ein Gespür dafür, wie er seine Songs groß macht, wie er ihnen Leben einhaucht. Alleine "Welche Welt" rauscht auf den Abgrund zu, versinkt in der Stille, nur um dann langsam wieder aufzusteigen. Irgendwo dazwischen befindet sich zum ersten Mal eine menschliche Stimme auf einem Album von Bersarin Quartett.

Damit dürfte "III" eine der konkretesten Platten des Genres sein, denn Bücker erschafft in seinem Raum sehr greifbare Momente: In "Die Nächte sind erfüllt von Maskenfesten" gibt das Schlagzeug die Leitplanke ins Nichts, "Schwarzer Regen fällt" plustert sich über seine Synthies zwischenzeitlich überlebensgroß auf. Nie drängt dabei etwas in den Vordergrund; das Genaue im Ungenauen, das zeichnet Bücker mit diesem Album nach. Aus den unterschiedlichen Samples auf "III" lässt sich kein Ursprung mehr heraushören, alles steht in einem neuen Kontext, einem neuen Universum, einer eigenen Welt. Kein Kopfkino, denn da passen sie einfach nicht rein. Eher ein Himmel, ein endloser Horizont, an dem das Abendrot erst ins Violette taucht und dann im Schwarz verschwindet. Dann kein Licht mehr. Dafür funkelt auf "III" alles andere.

(Björn Bischoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Hinter uns die Wirklichkeit
  • Sanft verblassen die Geschichten
  • Welche Welt

Tracklist

  1. Verflossen ist das Gold der Tage
  2. Staub und Sterne
  3. Hinter uns die Wirklichkeit
  4. Bedingungslos
  5. Die Nächte sind erfüllt von Maskenfesten
  6. Umschlungen von Milliarden
  7. Sanft verblassen die Geschichten
  8. Es ist alles schon gesagt
  9. Schwarzer Regen fällt
  10. Jeder Gedanke umsonst gedacht
  11. Welche Welt
  12. Ist es das, was Du willst
Gesamtspielzeit: 53:24 min

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carpi

2015-12-12 11:53:25

Anwärter auf das melancholischste Album des Jahres. Es passiert zwar nicht viel, was man hört, ist aber von großer Schönheit, "Schwarzer Regen fällt" z.B. ist grandios.
Wer das mag, kann kein schlechter Mensch sein:).

Underground

2015-11-15 15:16:49

*zwinker zwinker*

musie

2015-11-15 14:11:14

das Gefühl ist wichtig.. aber nicht jede® hats, schon klar.

und: danke @Underground

Underground

2015-11-14 15:06:34

Kann ich mit leben.

Günther

2015-11-14 15:01:04

Dass Du ein schlechter Mensch bist.

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