Lyvten - ... sondern vom Mut, mit dem Du lebst

Twisted Chords / Broken Silence
VÖ: 23.10.2015
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Auf allen Festen

Früher war das alles so viel einfacher. Damals, als der Begriff – allseits bekannte Ausnahmen natürlich nicht eingedacht – "Deutschpunk" bei so manchen Zeitgenossen instinktive Fluchtreflexe auslöste. Zu grausig waren die Gedanken an stumpf heruntergeschrubbte Akkorde und Parolen auf der einen sowie hanebüchene Blödeleien auf der anderen Seite. An lyrische Verweigerungen wie "Ich bin Punk und ich bin frei / Du bist bei der Polizei". Das konnte man schon mal einfach furchtbar finden und das Thema damit erledigen. Doch nicht so voreilig. Immerhin tingelt seit mehreren Jahren eine deutschsprachige Punkrockszene durch die Landen, die es einem bisweilen verunmöglicht, zu entscheiden, mit welcher Band man sich denn nun zuerst beschäftigen möchte. Man droht fast die Orientierung zu verlieren, zwischen all den Turbostaats und Captain Planets und Matulas und wie sie alle heißen.

Und Lyvten, die Band um den Ex-Bubonix-Sänger Thorsten Polomski? Die denken erst gar nicht daran, ihren Hörern das Leben diesbezüglich auch nur ein kleines bisschen leichter zu machen. Sie nehmen nämlich all die Zutaten, mit denen unter anderem die eben genannten Bands ihre Songs zu würzen pflegen, fügen dem Ganzen noch eine Messerspitze Pop-Appeal hinzu und landen schlussendlich bei einer Mischung aus sympathischem Indierock mit einer kräftigen Punk-Schlagseite. Das wird der einstmals von Matula in den Raum gestellte Albumtitel "Auf allen Festen" doch glatt zum Motto für "... sondern vom Mut, mit dem Du lebst". Zugleich wird der Verdacht, der an dieser Stelle zwangsweise aufkeimt, nicht bestätigt: Lyvten klingen zu keiner Zeit wie eine bloße Kopie ähnlicher, schon zuvor dagewesener Bands, sondern schaffen es, ihre eigene Visitenkarte abzugeben. Mit formidablen Stücken wie dem angepissten "Ventolin", das mit den Worten "Geschmack der Müdigkeit liegt uns auf der Zunge" ohne jegliche Umschweife loslegt, sich die "Unzufriedenheitsgesichter der Überflussgesellschaft" vornimmt und dabei vor allem eine ganze Menge abgedunkelter Melodien dabei hat. Die ein furioses Finale gar nicht verlangt hätten, aber dennoch an die Seite gestellt bekommen.

Mit der immer noch im Raum stehenden Frage "Können wir überhaupt in Wirklichkeit leben, schaffen wir das?" übernimmt schließlich "So leer" mit sumpfigen Gitarrenfiguren und entrückten Chören und verabschiedet endgültig das Licht aus dem Album, das der gelungene Opener zunächst dabei hatte. Nach und nach kommt "... sondern vom Mut, mit dem Du lebst" in der Düsternis an. Was den Songs keineswegs schadet. Im Gegenteil, die wirklich nachhaltigen Highlights finden sich, abegesehen von der Single "Status kompliziert", in der zweiten Albumhälfte. Das angesprochene "Ventolin", das an den stärksten Momenten von Alkaline Trio geschulte "La luz", das atemlose "Zeitlos in der Gegenwart", all diese Songs heben sich Lyvten für den zweiten Teil auf. Ohne davor Füllmaterial präsentiert zu haben. Und ohne beim Tanz auf allen Festen den Faden zu verlieren.

(Martin Smeets)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Status kompliziert
  • Ventolin
  • La Luz

Tracklist

  1. Weiße Pyramiden
  2. Status kompliziert
  3. Hanawon
  4. Pferdekopfskulptur
  5. Zirkel
  6. Ventolin
  7. So leer
  8. Fenster in der Schräge
  9. Zeitlos in der Gegenwart
  10. La luz
  11. Vom Segeln
  12. Polaroid
Gesamtspielzeit: 39:33 min

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Schreck

2015-11-12 18:47:29

ich dachte schon..Lyxen

elcascador

2015-11-12 15:43:50

klasse platte.
schön aus einem guss, ohne routiniert zu klingen.

Armin

2015-11-11 21:07:20

Frisch rezensiert!

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