Jeffrey Lewis & Los Bolts - Manhattan

Rough Trade / Beggars / Indigo
VÖ: 30.10.2015
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Unten mit den Arten

Wer sein Album "Manhattan" nennt, hat Großes vor. Woody Allen hat es seinerzeit so erklärt: Für seinen Protagonisten, also Woody Allen, ist Manhattan nichts Geringeres, als eine Metapher für den Verfall der zeitgenössischen Kultur. Bumm. Schwer lastet die Skyline, bedrückend pulsieren die Menschenmassen durch die Adern von New York und dazwischen schlängeln sich ein kleiner Woody und ein etwas größerer Jeffrey Lewis durch die Häuserschluchten und Wolkenkratzern.

Es braucht eben ein bisschen Leichtfüßigkeit, einen tänzelnden Gang, um nicht in der Masse unterzugehen. Ein Charakterzug, der weder auf Allen noch auf Lewis zutrifft. Der eine von beiden ist nervös, zerstreut, wie auf der Flucht und der andere ist auch gar nicht so anders. Allen zum Beispiel verabschiedet sich genau in diesem Moment etwas angekratzt aus dem Text und murmelt "Nichts verstanden" vor sich hin.

Jeffrey Lewis bleibt noch ein paar Zeilen. Denn er hat viel zu erzählen: Er habe mit den Los Bolts, Heather Wagner und Catlin Gray, nun seine zigste Kollaboration für die aktuelle Platte zusammen getrommelt, sagt er, während er den Bleistift über Papier streifen lässt. Mit John Agnello habe er sich den begnadeten Mischer von Bands wie beispeilsweise Dinosaur Jr. an Bord geholt . Turner Cody und The Wave Pictures haben bei ein paar Songs mitgemischt. Der Vorgänger "A turn in the dream-songs" sei alles andere als ein Meisterwerk, zitiert er aus seinem Eintrag im Homepage-Forum. Der Stift wandert nun schneller über das Papier. Und dann das – er hält sein Bild hoch. Die Evolutions-U-Bahn, gefüllt mit der Entstehung der Arten, vom Einzeller bis zum Menschen. Davor ein paar Ratten aus dem New Yorker Untergrund, die über das Album reden oder tot umfallen.

Einst neben Adam Green zu den Begründern des Anti-Folk gezählt, hat Jeffrey Lewis auch auf "Manhattan" bewiesen, dass er ein Meister der Kleinstform ist. Wie einzeilige Comic-Strips reihen sich die Songs aneinander: drei bis vier Bilder in drei bis vier Strophen, eine Pointe, einen ganz eigene Handschrift. Und weil bei Lewis eh alles zusammenlaufen muss, hat er die Metaebene zu seiner Musik einfach skizziert. Die Wegbereiter des Albums tauchen in ebenjener U-Bahn auf, die er mal schnell zwischen Weltblick und New Yorker Realität vorbeiziehen lässt.

Lewis bezeichnet sich gern als zwiegespaltenen Künstler, der sich nicht zwischen Comics und Musik entscheiden möchte. Dennoch ergibt die Summe ein stimmiges Bild. Mit den Up-Tempo-Stücken "Sad screaming old man", "Avenue A, Shanghai, Hollywood" – bei dem Catlin Gray den Gesang übernimmt – und "Have a baby" reist er unbefangen durch die Straßen und erzählt darin episodenhafte Geschichten wie die seines psychisch labilen Nachbarn. Es macht Spaß, Lewis dabei zuzuhören, wie er befreit durch den Großstadtdschungel springt. "Outta town" zeigt, wie klein die Stadt doch ist, sobald dieser eine wichtigste Mensch fehlt. In "Scowling crackhead Ian", "Thunderstorm" und "Back to Manhattan" wird Lewis ruhiger und gewinnt damit anTiefe.

Allein die Zusammenstellung der Songs, mit der er auch auf dem Vorgängeralbum nicht zufrieden war, ist nicht ganz geglückt. Es beginnt zu ruhig und die meisten Songs stehen recht sperrig nebeneinander. Wer darüber hinwegsieht, kann sich über ein Album freuen, dass Allen nicht in seinen pessimistischsten Zeiten als Untergangsmetapher eingestuft hätte – weil es nämlich voller echtem Leben steckt.

(Bastian Sünkel)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Sad screaming old man
  • Avenue A, Shanghai, Hollywood
  • Outta town

Tracklist

  1. Scowling crackhead Ian
  2. Thunderstorm
  3. Sad screaming old man
  4. Back to Manhattan
  5. Avenue A, Shanghai, Hollywood
  6. Outta town
  7. It only takes a moment
  8. Support tours
  9. Have a baby
  10. Atheist mantis
  11. The pigeon
Gesamtspielzeit: 45:02 min

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Armin

2015-11-11 21:06:40

Frisch rezensiert!

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